Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/410

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

an den Leiden des Gefangenen, indem er selbst zu ihm nach Rom kommt. Der Brief hat also zunächst keinen anderen Zweck, als den Timotheus zu ermutigen, nach Rom zu kommen. – Aber auch die Lage des Timotheus bot Anlaß, ihm zu schreiben. Derselbe hat, vielleicht brieflich, Klagen laut werden lassen gegen den Apostel, wie schwer ihm das Amt in Ephesus (?) werde. Über den Schwierigkeiten, welche die schon früher geschilderte Partei von jüdisch-gnostischen Lehrern seiner Lehrthätigkeit entgegensetzte, wie über den Zuständen der Gemeinde, die im wahren Christentum zurückging, scheint ihm Lust und Mut vergangen zu sein an einer öffentlichen Lehrthätigkeit. Hatte er schon früher Neigung, zu stiller Betrachtung und Übung sich zurückzuziehen, so hing er dieser Neigung nur noch mehr nach; sein Eifer für seine Lehrthätigkeit war erkaltet, sein Mut erlahmt. Und doch war es jetzt gerade so not, daß Timotheus die gesunde apostolische Lehre eifrig trieb, wo jene unfruchtbare Religionsgelehrsamkeit anfing, schwere Irrtümer zu erzeugen (2 Tim. 2, 18), während sie bis jetzt mehr deswegen schadete, weil sie die Gottseligkeit, die wahre Frömmigkeit verhinderte. Es war überhaupt not, daß Timotheus sich ermannte zu kräftigem Auftreten; denn er sollte bald die heilsame Lehre für sich allein und selbständig zu vertreten haben; denn des Apostels Zeit ist so gut wie abgelaufen, die Stunde seines Abscheidens ist nahe. So ermahnt ihn denn der Apostel – und das ist der andere Zweck des Briefes – sich von der Schwachheit zur Mannhaftigkeit aufzuraffen, aus der gemächlichen Stille in den Kampf hervorzutreten und durch die Zustände der Gemeinde, die in der schon angegebenen Richtung immer schlimmer werden (c. 3, 1–9), sich nicht überwinden zu lassen, sondern sie in der Kraft des HErrn vielmehr selbst zu überwinden. Es ist der letzte Brief, den der Apostel an seinen Timotheus schreibt. Die Mahnungen desselben lesen sich wie ein letztes Vermächtnis und sollten es auch wohl sein.

 3. Die Ausführung dieses doppelten Zweckes ergibt folgenden Inhalt des Briefes:

 I. Ermahnung zu getrostem Bekenntnis zu Christo und zu rechten Leidensmut c. 1–2, 13.

 Erfreut durch des Timotheus herzliche Teilnahme an seinem (des Apostels) Ergehen fordert Paulus ihn unter Hinweis auf das Beispiel seiner glaubensstarken