Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/42

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sich finden (Ps. 16; 18), ebensogut konnte Mose wechseln und verbinden, ohne daß daraus auf verschiedene Verfasser zu schließen wäre. – Es ist richtig, daß gewisse Partien bestimmten Sprachgebrauch aufweisen und dadurch von anderen sich unterscheiden. Aber der verwandte Sprachgebrauch erklärt sich aus der Verwandtschaft der Materien. In Gen. 17 haben wir einen Bundesschluß mit seinen Verpflichtungen und Verheißungen; naturgemäß zeigt also dies Kapitel Ähnlichkeiten mit Levitikus. Und was die Verschiedenheit der Materien anlangt, so kann ein und derselbe Geschichtschreiber Ereignisse beschreiben und Gesetze mitteilen, wie wir z. B. an den Büchern der Chronika sehen; ein und derselbe kann geschichtliche Entwicklung darstellen und Genealogien seinem Werk einverleiben, dazu auch gesetzliche Vorschriften und Lehren; sonst müßte man den Evangelisten Lukas in 3 Verfasser zerspalten. – Allerdings finden sich innerhalb der gesetzlichen Verordnungen selber Unterschiede, wie zwischen Ex. 21–23 und Levitikus. Aber auch St. Paulus schreibt nicht immer in derselben Weise, sondern richtet sich nach den Verhältnissen. Ex. 21, 1 sollte das Volk sich schlüssig machen, ob es auf Grund eines ihm vorzulegenden Gesetzes den Bund mit Jehova schließen wollte. Da bedurfte es einer kurzen, summarischen Zusammenfassung der in das Volksleben einschneidenden Gesetze. Die Verordnungen über das Detail des Gottesdienstes und der gottesdienstlichen Einrichtungen, die wir im Levitikus haben, mußten sich davon ihrer ganzen Natur nach unterscheiden.

 Zur Begründung der Hypothese von verschiedenen Quellenschriften weist man auf die verschiedene Gemütsstimmung hin, die in den verschiedenen Partien sich finde; in der Erzählung vom Sündenfalle herrsche eine schwermütige, düstere; eine fröhlichere Ansicht der Dinge zeige c. 1 und andere Teile des sogenannten Priesterkodex. Wenn man aus diesen Merkmalen auf zwei verschiedene Verfasser schließen soll, dann gehört auch Luc. 2, 28–35 zwei verschiedenen Verfassern an; auch Deut. 32 und 33. Ja das Christentum selber und der Christ wird in zwei verschiedene Teile auseinander gerissen werden müssen.

 Das alttestamentliche Volk Gottes bedurfte, wenn seine Fortentwicklung gesichert werden sollte, ebenso einer schriftlichen Überlieferung von seiner Entstehung und von den Ordnungen, in denen sein Leben sich bewegen sollte, wie das neutestamentliche. Zwar hatte jenes das ständige Prophetentum im Unterschied von letzterem; aber dasselbe hatte nicht die Aufgabe, die Grundlage des Volkstums zu schaffen, sondern im Anschluß an die bereits vorhandene das Volk dem göttlich bestimmten Ziel zuzuführen. Nochmals wiederholen wir: wenn diese Entwicklung sicher gestellt werden sollte, so bedurfte Israel einer heiligen Urkunde, welche ebenso wie die neutestamentlichen Urkunden sowohl die Führungen Gottes als auch sein Gesetz, samt genealogischen Reihen und genealogischen Daten enthielt. Daß eine solche Urkunde aus der Hand der beteiligten Personen von Anfang an vorhanden war, die Existenz einer solchen erscheint als historische Notwendigkeit. Daß die verschiedenartigen Bestandteile einer solchen Urkunde auf einen und denselben Verfasser zurückgehen können,