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streitig sei; erst von Eusebius an, der ihn aber unter die Antilegomena rechnet, erhielt er ein allgemeines Ansehen. Im Mittelalter verstummte dann der Zweifel, aber Erasmus und Calvin erneuerten ihn; und selbst Chemnitz schwankte. Aber trotz alledem hat die Kirche an dem zweiten Briefe des Petrus festgehalten. Von den allgemeinen Zweifeln, welche aus dem Inhalt und der Form entnommen werden, sehen wir nach dem Obigen billig ab; zumal der Brief an Reichtum des Inhalts und Tiefe der Gedanken eines Apostels vollkommen würdig ist. Der Grund aber gegen die Echtheit, welcher von der Ähnlichkeit unseres Briefes mit dem Briefe des Judas entnommen wird, fällt damit zusammen, daß nicht Petrus aus dem Judasbrief, sondern Judas aus dem Petrusbrief wiederholt hat. Aber wenn dem auch nicht so wäre, so hätte ja die Thatsache, wenn nicht im Neuen, so doch im Alten Testament Vorgang genug, daß ein Prophet die Worte eines andern wiederholt, damit das Zeugnis, wenn es wörtlich wiederkehrt, desto stärker wird.

 2. Der Inhalt des Briefes stellt sich dar, wie folgt:

 I. Ermahnung zu einem ernsten christlichen Wandel im Hinblick auf die festbezeugte Wiederkunft des HErrn c. 1.

 Der Apostel erinnert seine Leser an das, was auf Grund der empfangenen göttlichen Gabe ihre Christenaufgabe ist: die sittliche Bethätigung ihres Christentums in der Übung der – wie die Glieder einer Kette untrennbar sich an einander reihenden – Tugenden, ohne welche die Glaubenserkenntnis unfruchtbar und der Eingang in das künftige Reich Christi versagt bleibt (1, 3–11). Zum Streben nach diesem Ziel der Christenhoffnung sie zu ermuntern, hält der Apostel angesichts seines nahen Endes für Pflicht (12–15), der Gegenstand dieser Hoffnung aber: die Erscheinung Christi in Herrlichkeit ist ihm verbürgt durch das wunderbare Erlebnis der Verklärung JEsu (das Vorspiel seiner herrlichen Wiederoffenbarung), durch welche die alttestamentliche Weissagung (vom Tag des HErrn) bestätigt ist.

 Es werden auch in der Christenheit sitten- und seelenverderbliche Irrlehrer auftreten, die aber ihrer Strafe so wenig entgehen werden als die gefallenen Engel (1 Mos. 6) c. 2, 4, das Geschlecht der Sündflut v. 5, die Städte Sodom und Gomorrha v. 6–9. Das Bild, das uns von ihnen entworfen wird, ist das des freigeisterischen Materialismus, der die Emanzipation des Fleisches zum System erhebt und als Freiheit preist, was entwürdigendste Lasterknechtschaft ist, c. 2. Nach der Ermahnung zum Achthaben auf die echte und rechte Weissagung folgt nun eine

 II. Warnung vor den falschen Propheten c. 2–3.

 c. 3 warnt vor Spöttern, die die Wiederkunft Christi und das Weltende leugnen, dabei aber vergessen, daß in der Sündflut bereits einmal ein verheerendes Gericht über die Welt ergangen ist. Ein schließliches Gericht wird – dann aber durchs Feuer – dem gegenwärtigen Weltbestand ein Ende machen, gleichviel ob früher oder später, denn der Unterschied von Zeitlänge und Zeitkürze besteht für Gott nicht; in dem bisherigen Verzögern des Endes