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 1) Der Verfasser nennt sich 1, 2 einen Augenzeugen des Evangeliums, der selbst gesehen, was er von JEsu Christo bezeugt hat. Ganz so 1 Joh. 1, 1 ff., vgl. Ev. Joh. 1, 14; 19, 35. 2) Der Verfasser sagt von sich 1, 9, daß er um des Wortes Gottes und des Zeugnisses von JEsu willen auf die Insel Patmos verbannt war. Dies wird aber von der alten Kirche mit Bestimmtheit vom Apostel Johannes ausgesagt. Endlich 3) konnte nur ein Apostel an die Gemeinden Kleinasiens Sendschreiben richten, wie wir sie c. 2–3 lesen. Dem Apostel Johannes, der etwa vom Jahre 67 an in Ephesus gewirkt und von da aus die Kirche Kleinasiens geleitet, stehen solche Briefe wohl an, während sie dem angeblichen Presbyter Johannes[1] welchen viele für den Verfasser der Apokalypse halten, Befremden erregen würden. Gewiß ist, daß der Verfasser für den Apostel gehalten sein will, und daß man in der apostolischen Kirche ihn dafür halten mußte. Dies alles bestätigt sich nun durch eine sehr gesicherte Überlieferung der alten Kirche. Das Zeugnis reicht bis auf Polykarp und andere, die wie Polykarp noch Zeitgenossen des Apostels waren. Dann tritt als Zeuge für den apostolischen Ursprung auf: Papias und Melito (Bischof von Sardes) zu Anfang, Justinus der Märtyrer und der Kanon der römischen Kirche (Can. Mur.) in der Mitte, Irenäus, Tertullian und Clemens Alex. zu Ende des zweiten Jahrhunderts. Aus dem dritten Jahrhundert aber haben wir als Zeugen Origenes und Hippolytus. Das Hauptzeugnis aber für den apostolischen Ursprung der Apokalypse in der ältesten Kirche ist der damals allgemein verbreitete Chiliasmus. Der Widerspruch des Cajus – im Kampfe gegen die Montanisten, die sich besonders auf die Apokalypse beriefen – und der Aloger ist, wenn überhaupt erweisbar, der historischen Überlieferung gegenüber ohne alle Bedeutung, weil er offenbar aus der Polemik hervorgewachsen ist. Die Nichtaufnahme der Apokalypse in die (ältere) Peschîttho ist auffallend, aber sie kann Gründe haben in der eifrig antimontanistischen Richtung der syrischen Kirche. Man las das Buch aus Gegensatz gegen diese Richtung nicht vor und übersetzte es deshalb nicht – denn zum Vorlesen wurde ja das N. Testament zunächst übersetzt. Ephräm der Syrer erkannte übrigens die Apokalypse unbedenklich als Werk des Apostels Johannes an. – Erst seit der Mitte des dritten Jahrhunderts wagte man es, an ihrer Echtheit zu zweifeln. Es geschah dies im Zusammenhange mit den chiliastischen Streitigkeiten, die damals aufkamen. Aber Dionysius von Alexandrien, der dem Zweifel Bahn brach, beruft sich nicht auf Überlieferung, sondern darauf, daß die Sprache nicht die des Evangelisten Johannes sei. Dann drückt sich freilich auch Eusebius (III, 25) schwankend aus, und Cyrill von Jerusalem, wie Gregor von Nazianz nehmen die Apokalypse nicht in das Verzeichnis der kanonischen


  1. Der sogenannte Presbyter Johannes, der von den Aposteln, also auch von Johannes zu scheiden wäre, ist eine Entdeckung des Eusebius, der in der Auffassung der betreffenden Stelle des Papias sich eines Versehens schuldig gemacht und im weiteren dieselbe wohl auch noch mißverstanden hat. (Mit „Presbytern“ bezeichnet dort P. unmittelbare Jünger des HErrn.)