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Eröffnung der sieben Siegel. Mit der Eröffnung eines jeden Siegels rückt die Geschichte der Welt dem Ende näher; die ersten vier gehören dem gewöhnlichen Weltlauf an, die letzten aber gehen dem Ende unmittelbar voran. – Mit den ersten sechs Siegeln, 6, 1–17, enthüllen sich die Schickungen der göttlichen Weltregierung, welche das Ende herbeizuführen dienen. Das erste stellt den Siegeslauf des Wortes Gottes durch die Welt dar, ihm zur Seite geht der blutige Krieg, weiter die Teuerung, bei der man Hungers sterben muß, endlich das große Sterben besonders durch Pestilenz. Mit diesen Plagen sucht Gott die Menschen im gewöhnlichen Weltlauf immer wieder heim. Diese Nöten gehen aber aus in eine große Christenverfolgung und darauf folgen am Himmel und auf Erden die Vorzeichen des Endes aller Dinge. (Die apokalyptische Rede des HErrn, Matth. 24, 4–14 bildet hierzu die Parallele.) Mitten in diesen Gerichten wird, wie 7, 1–17 zeigt, die Gemeinde auf Erden, das Israel der Endzeit, bewahrt, während die Christen aus den Heiden in unermeßlicher Zahl durch die große Trübsal in den Himmel zur seligen Ruhe eingegangen sind. – Nun soll das siebente Siegel eröffnet werden: alles im Himmel lauscht in erwartungsvoller Stille (8, 1), denn nun soll das Ende selbst kommen und mit ihm die Welt der Ewigkeit. Ehe das nun aber vorgestellt wird, wird noch einmal zurückgegriffen, um von anderer Seite aus (11, 15 ff.) wieder dem letzten Ausgang der Gesichte entgegenzuführen, denn die sieben Posaunen greifen hinter das sechste Siegel zurück resp. schieben sich zwischen das 5. und 6. Siegel ein, vgl. 8, 3-5 mit 6, 9 ff. und 9, 4 mit 7, 3 ff.

 Die dritte Vision c. 8, 2–11, 19: Die sieben Posaunen oder die Bußgerichte über die Welt und die Vollendung der Bundesgemeinschaft mit Gott.

 Wir sehen 8, 2–5 einerseits die Engel bereit stehen mit den Posaunen, die Signale zum Gerichte zu geben, anderseits die Gebete von der bedrängten Gemeinde auf Erden um die Vollführung der göttlichen Gerichte zum Himmel aufsteigen, von wo das Zeichen der Erhörung herabkommt. Es folgen nun 8, 6–9, 21 die sechs Posaunen, womit der Fortschritt der göttlichen Gerichte bezeichnet wird. Die ersten vier Posaunen gehören zusammen und treffen vierfältig die Welt des Menschen, d. h. noch nicht die Menschen selbst, sondern nur erst ihre Lebensgüter und Lebensbedingungen, und diese nur teilweise (8, 6–12); die übrigen drei Posaunen oder Wehe treffen die Menschen selbst. Aus dem Abgrund steigt eine dämonische Verderbensmacht auf, die Menschen zu quälen (9, 1–12), und da, von woher immer die Weltmächte, die Gottesgeißeln, ihr Verderben über die Welt trugen (Babel), geht eine ungeheuere Zahl todbringender Mächte aus, die den dritten Teil der Menschheit töten, ohne daß die zwei andern Dritteile sich bekehren (13–21). (Bemerkenswert ist die Ähnlichkeit der Posaunengerichte mit den ägyptischen Plagen, nur daß letztere hier ins unnatürlich Grausige gesteigert erscheinen.)

 Ehe nun die siebente Posaune folgt, werden zwei Zwischenszenen eingeschoben, ähnlich wie c. 7 zwischen das sechste und siebente Siegel trat. Denn wie dort der geängsteten Welt die bewahrte und gerettete Gemeinde gegenübergestellt