Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Wie kann der christliche Volksschullehrer an der Schuljugend Seelsorge üben.pdf/6

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 Die Schule erzieht durch den Unterricht. Dieser ist ihr nächster und eigentlicher Beruf; was sie in pädagogischer Hinsicht leistet, reiht sich zunächst an ihren Unterricht. Ich sehe nun von dem Materiellen des Unterrichts, sofern er die Seelen der Kinder zu dem HErrn leitet, ab; ich halte mich an die Thätigkeit des Unterrichts, als solche, und behaupte, daß diese Thätigkeit zur Seelsorge werden kann und soll.

 Wer unterrichtet, nimmt den der unterrichtet wird in Anspruch, und zwar nicht bloß dem Verstande, sondern auch dem Herzen oder Willen nach. Ein Schüler, der zum Lernen nicht seinen Willen gibt, lernt nichts. Die Sache ist bei ihm, aber er ist nicht bei der Sache; er bemächtigt sich ihrer nicht, er verliert sie vielmehr, sowie er sie empfangen hat. Wenn nun aber der Lehrer den Willen in Anspruch nimmt, indem er lehrt, so erzieht er lehrend zum Gehorsam. Der Gehorsam ist die Haupttugend des guten Schülers, er ist der Hauptgewinn der Schule in sittlicher Beziehung. Ohne Gehorsam kann eine Schule überhaupt nicht bestehen. Was hat aber der Gehorsam mit der Seelsorge zu thun? Der erzwungene gar nichts, der freie aber sehr viel. Jeder Lehrer erzieht zum Gehorsam; aber nur wer zum freien Gehorsam erzieht, übt eine heilsame Wirkung auf die Seele seines Schülers; er erzieht ihn nicht bloß für dieses Leben, sondern auch für’s ewige.

 Wie erzieht man aber zum freien Gehorsam? Wenn man vor allen Dingen die Freiheit, die Gott geschenkt, auch schon im Kinde ehrt. Wir wissen alle, daß Gott die Freiheit des Menschen ehrt. Diese Freiheit ehre auch der Erzieher. Es bedenke der Lehrer, daß er in jedem Kinde ein Bild Gottes vor sich hat. Jede Forderung ergehe demnach an den freien Willen. Derjenige macht sich die Sache zu leicht, der das Kind wie einen Gegenstand behandelt, dessen er durch physische Gewalt leicht Herr zu werden vermag. Er erzeugt durch solche Gewalt wohl Furcht oder Schrecken, aber keinen freien Gehorsam. Er erweckt wohl Lüge und Heuchelei, aber er übt auf die Seele keinen sittlichen Einfluß.

 So bedarf es also nichts anderes, als daß ein Lehrer immer vor Augen habe, daß die ihm anvertrauten Kinder Wesen sind, die Gott nach Seinem Bilde erschaffen und mit Freiheit begabt hat, daß er human mit ihnen umgehe, in des Wortes wahrem, d. h. göttlichem