Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 048.jpg

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Worte übereinstimmen, welches nicht auch D mit ihnen theilt, während in andern Bestandtheilen des Textes D bald mit S, bald mit L übereinstimmt. S. 23. 45 (135. 175). Der Gedanke an ein Spiel des Zufalls ist dabei natürlich ausgeschlossen und die Annahme L — D würde demnach auf folgendes Verfahren führen:

α. Der Verfasser von D müsste da wo S und L von einander abweichen, nicht etwa die einzelnen Sätze, sondern die einzelnen Worte der Sätze seines Textes bald aus S, bald aus L entnommen haben, selbst in Fällen, wo für den Inhalt die Wahl dieser oder jener Worte ganz gleichgültig war; er müsste sich zugleich andererseits die Aufgabe gestellt haben, sorgsam jedes Wort beizubehalten, welches sich übereinstimmend in S und L fand; und obwohl dieses ganze Verfahren noch dadurch ausserordentlich erschwert worden wäre, dass es durchweg in seiner Absicht hätte liegen müssen, gleichzeitig die kürzere Fassung in S zu erweitern, die weitere Fassung in L zu verkürzen, müsste es ihm durch dieses eben so sonderbare, wie schwierige Vorgehen gelungen sein, einen wohlabgerundeten, in seiner sprachlichen Fügung nirgends die so überaus gezwungene Entstehungsweise verrathenden Text zu konstruiren.

β. Der Verfasser müsste über der Fertigung dieser gekünstelten Form den Inhalt so ausser Acht gelassen haben, dass er offenbare Ungereimtheiten aus L aufnahm, während das vorliegende S ihm doch einen richtigen Text bot; S. 48 (160).

γ. Er hätte zuweilen, wo L die Ordnung von S nicht einhält, sich den entsprechenden Text in S erst mühsam suchen müssen, lediglich zu dem Zwecke, um in einzelnen wenigen Worten die Fassung ihm zu nähern; S. 36 (148).

Die Annahme eines solchen Verfahrens, auf welches die Stellung L — D nothwendig führen würde, kommt doch, von der Wahrscheinlichkeit ganz abgesehen, selbst der Gränze der Möglichkeit so überaus nahe, dass schwerlich jemand geneigt sein dürfte, dieselbe ernstlich und ausdrücklich zu billigen.

d. Dennoch würde uns die Annahme L — D für den zweiten Theil des Ldr. und für das Lhr. zu noch bedenklichern Behauptungen

führen müssen. D gibt hier im wesentlichen nur eine

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_048.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)