Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 086.jpg

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auf eine ältere Quelle im höchsten Grade wahrscheinlich machen muss, zumal eine Hinweisung auf denselben für weitere Forschungen über die Entstehungsgeschichte des Ssp. nicht überflüssig sein dürfte. Der Ssp. 3, 62 § 1 nennt fünf Pfalzen, an welchen der König echten Hoftag halten soll: Grona, Werle, dessen Pfalz nach Goslar verlegt sei, Walhausen, Altstedt und Merseburg. Vergleichen wir dieses mit den urkundlich nachweisbaren Aufenthaltsorten der Könige auf Grundlage der Regesten Böhmers, so war Merseburg jederzeit einer der von ihnen am häufigsten besuchten sächsischen Orte. Ebenso Werle-Goslar, und zwar findet hier die Nachricht des Ssp. über ihre Beziehung zu einander eine auffallende Bestätigung in den Urkunden; die letzten zu Werle ausgestellten Urkunden sind von 993, 1005, 1013; aus Goslar ist bis dahin nur 979 eine einzige verzeichnet; dagegen beginnt die zusammenhängende Reihe derselben mit 1015, 1017, 1019 u. s. w., so dass allerdings beide Pfalzen sich abzulösen scheinen. Dagegen finden sich die andern Pfalzen nur in früherer Zeit häufiger besucht; in Altstedt finden wir den König 29 mal von 935 bis 1064, dann nur noch vereinzelt 1134 und 1200; in Grona 10 mal von 973 bis 1024, in Walhausen 18 mal von 922 bis 1060; an beiden Orten ist wenigstens nach Böhmer kein späterer Aufenthalt nachweisbar; anderweitig ist mir nur noch ein Hoftag zu Walhausen 1169 bekannt geworden; vgl. Raumer Brand. Reg. n. 1363. 1364. Der im Ssp. angegebene Zustand stimmt also mit den Thatsachen nur noch im eilften Jahrhunderte. Fragen wir dagegen nach dem Zustande in der Zeit, welcher der Abfassung des Ssp. vorherging, etwa seit der Mitte des zwölften Jahrhunderts, so ergibt sich, dass die sächsischen Orte, an welchen die Könige sich zumeist aufhielten und zwar gewöhnlich zur Abhaltung eines Hoftages, grossentheils andere waren; wir finden den König 6 mal zu Merseburg, 1152—1213; zu Goslar 11 mal, 1157—-1227; dann aber zu Erfurt 7 mal, 1170—1219; zu Nordhausen 7 mal, 1192—1225; am häufigsten zu Altenburg, nämlich 14 mal, 1151—1234. Denken wir uns nun den Verfasser des Ssp. um 1230 schreibend, und nicht aus vorliegenden älteren Quellen, sondern aus eigener Kenntniss des bestehenden

Zustandes schöpfend, wie sollte er dazu kommen, jene verschollenen

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_086.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)