Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 106.jpg

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der einzelnen Länder eine genauere Rangordnung bestand, wie sie nach der Erzählung des Arnold von Lübeck für die sächsischen Fürsten noch 1208 auf der Wahlversammlung zu Halberstadt beobachtet wurde, möchte schwer zu entscheiden sein; und Kenntniss der ältern Ordnung dürfte auch zur richtigen Würdigung der spätern Verhältnisse vielleicht nur wenig beitragen, da uns die Verfassungsgeschichte überall zeigt, wie das spätere Herkommen sich weniger auf Grundlage der frühern normalen, als vielmehr der insbesondere durch den Sturz Heinrichs des Löwen vielfach verschobenen und unklar gewordenen Zustände, wie sie gegen Ende des zwölften Jahrhunderts bestanden, entwickelt hat.

Ein nicht blos thatsächlich grösserer Einfluss, wie er den mächtigsten Fürsten von jeher zustehen musste, sondern ein auch rechtlich begründeter Vorzug einzelner Fürsten wird zuerst bei der Wahl 1198 geltend gemacht, und zwar von den Wählern und Gönnern K. Ottos. Vgl. die Belege bei Philipps. 89. Für unsern Zweck wäre es besonders wichtig zu wissen, welche Fürsten man damals als bevorrechtete betrachtete. Ausser Mainz waren das zunächst unzweifelhaft Köln und Trier: Coloniensis et Trevirensis archiepiscopi electionem regis sui iuris esse firmantes. Godefr. Colon, ad a. 1198. Vgl. Ann. Argent., Otto S. Blas. bei Böhmer f. 3, 92. 631. Dem Kölner insbesondere wird vom Papste ein bevorzugtes Wahlrecht bestimmt zugesprochen (Reg. imp. ep. 80.); scharf betont erscheint es dann in der, zwar nicht ganz gleichzeitigen, aber jedenfalls beachtenswerthen Aeusserung des Cäsarius (Böhmer f. 2, 280), die Wiederwahl Philipps 1204 nach Kassation der frühern, sei lediglich erfolgt, damit der einzige Erzbischof von Köln sein Wahlrecht üben könne, wonach er also dem Herzoge von Brabant und andern Grossen, welche damals zu Philipp übertraten, gleiches Recht bei der Wahl nicht zuzugestehen scheint.

Das Hervortreten der Erzbischöfe ist freilich weniger wichtig, da es sich auch durch Umstände erklären liesse, welche zu dem Hervortreten der spätern Kurfürsten überhaupt ausser Beziehung

stehen würden. Aber auch Laienfürsten wurde schon damals ein

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)