Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 111.jpg

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dass sich schon eine Anschauung gebildet hatte, wonach von den eilf Stimmen nur vier die eigentlich beachtenswerthen seien.

Ist diese Folgerung richtig, so würden wir damit zuerst neben dem Pfalzgrafen auch den König von Böhmen nicht allein als Wähler, sondern auch als bevorzugten Wähler kennen lernen. Sehen wir von den Stellen des Ssp. und des Albert von Stade ab, so lassen sich in der ersten Hälfte des Jahrhunderts andere Laienfürsten als erste Wähler nicht erweisen, es sei denn, dass wir die früher erwähnte Stelle des Roger von Hoveden als Beweis für einen Vorzug Sachsens genügend erachten wollten. Eben so wenig haben wir ein Zeugniss ob und wie die Zahl der ersten Wähler abgeschlossen war. Es wird sich daher auch nicht erweisen lassen, dass diese oder jene Zahl damals nicht festgestanden, dieser oder jener Fürst noch nicht zu den ersten Wählern gehört habe.

Vor allem dürfte aber im Auge zu halten sein, dass es bei Erwägung der ausschlaggebenden Momente recht wohl möglich ist, dass damals insbesondere bezüglich der Laienstimmen manches überhaupt gar nicht feststehen, den verschiedensten Ansichten und Ansprüchen freier Spielraum gelassen sein mochte. Die anzunehmende ältere Ordnung der Laienstimmen musste durch die besondern Verhältnisse Schwabens, durch die längere Vereinigung Sachsens und Baierns, dann wieder durch den Fall Heinrichs des Löwen in Verwirrung gerathen sein; wie schwankend nach 1180 alle Rangverhältnisse geworden waren, werden wir bei Besprechung der Erzämter durch ein auffallendes Beispiel belegen. Später noch können wenigstens möglicherweise die Erhebung Böhmens zum Königreiche, die Vereinigung Baierns und der Pfalz in einer Hand auf weitere Schwankungen eingewirkt haben. Eine genügende Regelung konnte wohl nur dadurch eintreten, dass sich auf Grundlage der Thatsachen oder etwaiger beim Entgegentreten verschiedener Ansprüche erfolgender Rechtssprüche ein neues Herkommen feststellte. Obwohl gerade bei der Wahl von 1198 zuerst Gewicht auf die ersten Stimmen gelegt worden zu sein scheint, konnte sie begreiflicherweise später am wenigsten einen sichern Massstab abgeben. Und eben so

wenig scheinen die folgenden Wahlen nach dem, was wir darüber

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)