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Schon in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ist das Gewicht des Fürstenstandes bedeutend abgeschwächt; er hat seine wichtigsten Vorrechte, die der Königswahl und der entscheidenden Einwilligung zu Reichsgeschäften, verloren; sie sind übergegangen auf das Kollegium der sieben Kurfürsten, welche nun fast ausschliesslich den Einfluss auf die Reichsregierung üben, welcher früher der Gesammtheit des Fürstenstandes zukam. Damit verlor sich überhaupt die vorwiegende Bedeutung des letztern, wenn ihm auch noch manche Vorrechte zustanden; die Erhebungen in den Fürstenstand, früher nur ganz vereinzelt und gleichsam nur als formelle Anerkennung einer bereits vorhandenen fürstenmässigen Stellung vorkommend, mehren sich im vierzehnten Jahrhunderte; die Rechtsgrundlagen, auf welchen der Fürstenstand früher beruhte, gerathen in Vergessenheit; ohne Widerspruch zu finden war es schon möglich, dass einzelne Grosse ohne Standeserhöhung Fürstentitel und Fürstenrecht in Anspruch nahmen, während der Fürstenstand anderer in Vergessenheit gerieth; die Gränzlinie zwischen den Fürsten und andern Grossen, welchen es gleich ihnen gelungen war, die Landeshoheit zu erringen, wurde immer schwankender, und erst in einer Zeit, wo die ursprünglichen Grundlagen völlig verschoben waren, suchte man sie wieder festzustellen.

Wenden wir den Blick rückwärts, so ergibt sich bald, dass die hervorragende Stellung der Reichsfürsten in späterer staufischer Zeit keine althergebrachte war. Noch in den Zeiten des ersten Friedrich finden wir den Fürstenstand, insbesondere bezüglich seiner weltlichen Mitglieder, ungleich weiter ausgedehnt; weniger scharf abgegränzt freilich, aber doch so, dass er als besonderer Stand recht wohl erkennbar wird; anschliessend vorzüglich an den alten Amtstitel des Grafen, scheint er in seiner damaligen Abgränzung auf die älteste Verfassung des Reichs zurückzugehen; das sich allmählig mehrende Mass seiner Befugnisse scheint schliesslich wesentlich dasselbe gewesen zu sein, welches auch dem spätern, engerbegränzten Fürstenstande zustand, dann zum grossen Theile auf die Kurfürsten überging, ohne dass freilich bei der überaus grossen Zahl seiner Mitglieder dasselbe sich in gleich einflussreicher Weise hätte geltend machen können.

Es wird sich demnach rechtfertigen, wenn wir bei unseren Untersuchungen vorzugsweise das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert ins Auge fassen, welche die Entwicklung, den Höhepunkt und den Beginn des Verfalles der Bedeutung des neuern oder, wenn wir wollen, eigentlichen Fürstenstandes in sich schliessen, während zugleich der weniger wichtige ältere Fürstenstand weit genug in diese Zeit hineinreicht, um seine Verhältnisse aus den Denkmalen derselben genügend erkennen zu lassen. Doch werden wir uns nicht gerade streng auf jenen Zeitraum beschränken. Um die Grundlagen, auf welchen der Fürstenstand und seine Vorrechte beruhen, bis zu den ersten Entwicklungsstufen zu verfolgen,

werden wir häufig in frühere Zeiten zurückgreifen müssen. Sind

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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_046.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)