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bei den folgenden Untersuchungen uns zunächst auf die Zeit vor dem J. 1180 beschränken und in diesem Sinne von einem ältern Reichsfürstenstande sprechen; Zweckmässigkeit und Berechtigung dieser Abgränzung werden dann später näher nachzuweisen sein.

Vor allen wird nun die bisher nicht berücksichtigte Frage zu beantworten sein, ob wir uns denn überhaupt unter den ältern Reichsfürsten einen fest begränzten Stand zu denken haben, oder ob man das Wort in willkürlicher Ausdehnung gebrauchte. Denn der Wortsinn an und für sich lässt hier der Willkür den freiesten Spielraum. Nach oben hin freilich ist die Gränze durch denselben unmittelbar gegeben; ausser dem Princeps selbst kann niemand im Reiche eine so hohe Stellung einnehmen, dass desshalb der Begriff der Principes nicht mehr auf ihn anwendbar wäre. Nach unten hin fehlt die bestimmte Gränze; wollte man etwa nur Bischöfe und Herzoge so bezeichnen, so war das Wort ganz dazu geeignet; aber eben so geeignet auch, wenn man noch Aebte und Grafen hinzuzog; und wollte man weiter gehen, auch die Edeln, selbst die Reichsdienstmannen zu den Principes rechnen, so liess sich dem Sinne des Wortes nach nichts dagegen einwenden; denn immer blieb noch die Masse der Bewohner des Reiches übrig, denen gegenüber jene füglich als zu den Ersten gehörend bezeichnet werden konnten.

Leidet es nun auch keinen Zweifel, dass die Fürsten später einen fest begränzten Stand mit bestimmten Vorrechten bildeten, so kann das für die älteren Zeiten sehr fraglich erscheinen. Als man anfing, im urkundlichen Sprachgebrauche von den Fideles überhaupt die Angesehensten als Proceres oder Principes zu unterscheiden, mag man dabei zunächst an eine scharfe Begränzung gar nicht gedacht haben. Dass man zunächst nur den einfachen Wortsinn im Auge hatte, nicht eine bereits durch das Herkommen festgestellte staatsrechtliche Bedeutung, scheint sich schon aus dem wechselnden Gebrauch der verschiedenen Ausdrücke, welche wir anführten, zu ergeben. Im wesentlichen gleichbedeutend möchte man doch bald wieder dem einen eine engere, dem anderen eine weitere Bedeutung unterlegen; bald sind alle, bald nur die weltlichen Grossen damit bezeichnet; finden wir die Ausdrücke in manchen der angeführten Beispiele augenscheinlich auf bestimmte Klassen von geistlichen und weltlichen Grossen beschränkt, so treten sie uns in andern wieder in ganz unbestimmter, schwankender Bedeutung entgegen.

Die Kaiserurkunden des zehnten und elften Jahrhunderts geben uns nur wenig Anhaltspunkte zur Entscheidung dieser Frage, da wir selten ersehen können, wer die Fürsten sind, in deren Anwesenheit, oder auf deren Bitte oder Rath der König verfügt; es ist entweder von den Principes schlechtweg die Rede, oder doch nur ein oder anderer der angesehensten genannt. Findet sich auch zuweilen der etwas genauere Ausdruck: principes et fideles'[1], so können wir doch auch daraus

  1. z. B. 1071: Miraeus 3, 15. 1078: C. d. Westf. 1, 122. 1103: M. B. 29, 219.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)