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an Ministerialen verliehen war. Wir werden auf diese Verhältnisse noch genauer einzugehen haben; als vorläufiger Beleg mag es dienen, wenn der Bischof von Münster 1178 sagt: In quadam ecclesie nostre comitia, coram comite B. Dulmaniensi, presente B. Horstmariensi, qui eandem cometiam a nobis in beneficio acceptam, B. Dulmaniensi in beneficio contulerat und es in der Zeugenreihe nach Aufzählung der Liberi heisst: Ministeriales: B. de Dulmane u. s. w.[1] In solchen Fällen führten aber, so weit ich sehe, die betreffenden Ministerialen den Grafentitel nur etwa, wie im angegebenen Falle, bei ihren Amtsverrichtungen. Stehend wurde der Titel aber bei dem comes Reni, comes de Ringowe oder Ringravius, welcher 1130 und später häufig in mainzischen Urkunden und zwar bei schärferer Scheidung immer unter der Klasse der Ministeriales, nicht unter der der Liberi vorkommt[2]; wir haben in ihm unzweifelhaft einen mit der Grafschaft des Rheingaues betrauten erzbischöflichen Dienstmann zu sehen. So wurde auch 1095 die Verwaltung der Grafschaft Stade vom Markgrafen seinem Dienstmann Friedrich übertragen, welcher wenigstens von Schriftstellern als Graf bezeichnet wird.[3] Ist so wenigstens ausnahmsweise nachweisbar, dass auch einzelne Ministerialen den Grafentitel führten, so kann es nicht befremden, wenn wir auch etwa in Kaiserurkunde von 1180 als Liberi homines Grafen und Edle aufgeführt finden, worauf Ministeriales: Eggehart comes. Botho u. s. w. folgen.[4]

Diese Ministerialgrafen haben wir unzweifelhaft von den Principes auszuschliessen. Ich wüsste kein Beispiel, dass ein solcher ihnen zugezählt würde; und wo überhaupt irgend eine Klassenscheidung in den Urkunden eintritt, werden, wenn auch die Edeln oder Freien den Fürsten zugezählt sind, wenigstens die Ministerialen von ihnen getrennt. Wir werden demnach annehmen müssen, dass edle oder freie Geburt jedenfalls Vorbedingung auch des ältern Fürstenstandes war, und wo diese fehlte, auch der Grafentitel nicht zum Fürsten machte; dafür, dass auch höhere Amtstitel Unfreien zukamen, bietet meines Wissens erst für die folgende Periode der 1195 zum Markgrafen von Ancona bestellte Reichsseneschall Markward von Antweiler ein Beispiel. Es ist freilich noch neuerdings der Beweis versucht worden, dass es auch edle und freie Ministerialen gegeben habe, und dabei insbesondere auch auf jenen mainzischen Rheingrafen und den seit 1185 vorkommenden Paderborner Stadtgrafen Amelung hingewiesen.[5] Die Frage ist zu wenig wichtig für unsern Zweck, um sie hier genauer zu erörtern; aber ich glaube, dass sich auch nach Beachtung aller anscheinend für die entgegengesetzte Ansicht sprechenden Belege die Behauptung vollkommen rechtfertigen lässt, dass im zwölften Jahrhunderte da, wo die Standesunterschiede

  1. C. d. Westf. 2, 143. Vgl. 152.
  2. Guden 1, 83. 93. 100. 127. 133. 189. 211. 213.
  3. Vgl. Raumer n. 657. 721. 722. 788.
  4. M. B. 29, 437.
  5. Niedersächs. Zeitschr. 1855. 33. 36.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_108.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2020)