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59 Die Grafen bezeichnen uns aber ohne Zweifel auch die unterste Stufe der Fürsten im engern Sinne des Worts. Denn dass die Edelherren oder freien Herren im allgemeinen denselben nicht zugezählt werden, haben wir schon früher erwiesen[1]; wir finden sie nur dann einigemal unter den Fürsten genannt, wenn auch die niedern Geistlichen diesen zugezählt, oder doch nur Dienstmannen von ihnen unterschieden sind.[2] Demnach folgen sie auch in der Zeugenreihe durchweg den Grafen; finden wir sie zuweilen mit denselben gemischt[3], so ist das kaum häufiger der Fall, als wir auch andere unzweifelhafte Regeln der Reichskanzlei verletzt finden. Auffallen kann in dieser Rücksicht die Stellung des Markward von Grumbach, welcher so häufig in den Urkunden K. Friedrichs I. erscheint. Wir fanden ihn früher den Fürsten zugezählt, wenn dieselben in weiterer Bedeutung gefasst sind, bei engerer Begränzung aber von ihnen geschieden[4]; dagegen finden wir ihn häufig einzelnen, selbst ganzen Reihen von Grafen vorgestellt.[5] Eine solche Abweichung dürfte sich vielleicht daraus erklären, dass man denjenigen, welche zur Curia, zum geheimen Reichsrathe gehörten, manche Ehrenvorzüge zugestand; einzelnen Edeln überhaupt Fürstenrang einzuräumen, dürfte sie uns aber doch schwerlich berechtigen.

60 Als Kennzeichen des weltlichen Fürstenstandes müssen uns demnach für das zwölfte Jahrhundert die Amtstitel eines Herzogs, Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen, Grafen und Burggrafen gelten, etwa nur mit Ausnahme der Fälle, wo Ministerialen den Grafentitel führen. Nun war allerdings der Titel keineswegs immer nur mit dem Amte selbst verbunden; Familien, die früher ein Amt bekleidet, führten den Titel fort; den Amtstitel des Vaters führten oft alle Söhne, nicht lediglich der, welcher im Amte folgte, oder die jüngern Söhne eines Herzog oder Markgrafen nannten sich Grafen. Nur ausnahmsweise wird solches im Titel selbst bemerklich gemacht, wie 1030: Ego Hezel non merito sed nomine palatinus comes dictus, domini Ezzonis palatini comitis frater uterinus.[6] Wir werden auf diese Verhältnisse zurückkommen; hier berühren sie uns zunächst nicht, denn wir fanden vor dem Reiche überall den Titel entscheidend, ohne Rücksicht darauf, ob derselbe wirklich mit einem Amte verbunden war.

Zu so manchen andern Schwierigkeiten, welchen wir bei den Versuchen zu genauerer Abgränzung des Fürstenstandes begegnen, kommt nun aber das häufige Schwanken der Titel. Gewöhnlich hält sich dieses innerhalb der Schranken der den Fürstenstand bedingenden Titel. Markgraf und Graf werden mehrfach wechselnd gebraucht; so von den Grafen von Flandern; 961 sagt der Graf in marchionatu seu comitatu Flandrie[7]; neben dem Titel eines Grafen oder Markgrafen finden

  1. Vgl. § 37.
  2. Vgl. § 34. 35.
  3. z. B.: M. B. 29, 245. 326. 388.
  4. Vgl. § 34. 37.
  5. 1155–68: M. B. 29, 326. 376. 380. 388. Günther 1, 363. Lacombl. 1, n. 427.
  6. Lacombl. 1, n. 169.
  7. Miraeus 1, 44.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_116.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)