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kleinern Bezirken belehnt waren; nur dass früher, wie wir das schon bezüglich der Ministerialgrafen bemerkten[1], der Grafentitel ihnen nur etwa bei Ausübung ihres Amtes beigelegt wurde, während sie ihn sonst nicht führten, wie sich denn auch Beispiele finden, dass noch später Edelherren, wie etwa die von der Lippe oder die von Isenburg, den Titel nicht annahmen, obwohl sie mit Grafschaften belehnt waren. Hie und da mag denn auch der Grafentitel selbst von solchen angenommen sein, welchen überhaupt keine Grafengewalt zustand.

Muss es schon danach scheinen, dass es der von uns aufgestellten Abgränzung des ältern Fürstenstandes an einer bestimmten staatsrechtlichen Grundlage gebrach, dass sie an einen sehr willkürlich gebrauchten Titel anschloss, so ergibt sich die weitere Schwierigkeit, dass wir selbst beim Festhalten an dem ganz äusserlichen Kennzeichen des Titels für den einzelnen Grossen nicht würden bestimmen können, seit wann er danach zu den Fürsten zu zählen wäre. Denn wir finden nun bei den einzelnen Geschlechtern sehr gewöhnlich eine längere Periode des Schwankens, in welcher sie wechselnd bald Grafen genannt werden, bald nicht, bis der Titel zu allgemeiner Anerkennung gelangt. So bei den niedersächsischen Grafen von Rode; heisst es schon um 1130 in placito comitis H. de Rothen, so finden wir noch 1167 und 1185 Konrad einfach als de Roden oder dominus de R. bezeichnet; dazwischen 1168 auch wieder als Grafen.[2] Die von Wölpe führen seit 1168 den Grafentitel, erscheinen aber vereinzelt selbst noch 1203 ohne denselben.[3] Die von Stumpenhausen, später von Hoya, erscheinen im eilften Jahrhunderte nur als Edelherren; 1137 und 1180 als Grafen; aber dazwischen um 1160 ohne den Grafentitel und einer Reihe von Edeln nachgesetzt.[4] Die von Everstein an der Weser finden wir 1122 und sonst nur als Edle, dann seit 1146 als Grafen, aber nicht ständig, sondern 1153 und 1159 auch ohne den Grafentitel unter den Freien und sogar den Edelherren von Schwalenberg und Lippe nachgestellt.[5] Die von Valkenstein am Harze heissen zuerst 1155 Grafen; dann aber ist der Gebrauch des Titels noch eine ganze Generation hindurch schwankend.[6] Im Süden geben uns die von Wirtemberg ein Beispiel; schon 1134 urkundlich als Grafen nachweisbar, wechselt die Bezeichnung bis 1194, wo der Grafentitel zum letztenmale fehlt.[7] Bei den Herren von Neifen dagegen erscheint nur vereinzelt der Grafentitel, ohne zu allgemeinerer Geltung zu gelangen[8]; ebenso bei den baierischen Herren von Leuchtenberg, bis diese 1196 die Landgrafschaft erhielten.[9] Auch Markward von Grumbach, auf dessen

  1. Vgl. § 54.
  2. Vgl. Reg. Schaumb. 393.
  3. Vgl. Spilcker 1, 10 f. Reg. Schaumb. 416.
  4. Vgl. Hoyer UB. Erläutr. zur Stammtafel.
  5. Spilcker 3. 10. 12. 15 u. s. w. C. d. Westf. 2, 44. 48. 72. 89.
  6. Vgl. Schaumann, Valkenstein 27. 33.
  7. Stälin 2, 488.
  8. Stälin 2, 577.
  9. Abh. der Münchn. Ak. 6, 19. 21.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_119.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)