Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 123.jpg

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Ausgangspunkt dasjenige, welches zwar nicht gerade die Vermuthung der grössten Zuverlässigkeit für sich hat, aber, so viel ich weiss, das einzige ist, welches uns eine Gesammtaufzählung der Reichsfürsten, wenn auch zum Theil nur nach Klassen, bietet. Es heisst nämlich bei Alberich: Nota lector, quod in Alemannia omnes archiepiscopi et episcopi, quidam excellentiores nigri abbates, et omnes duces et quidam marchiones et lantgravius Thoringiae et palatinus comes de Rheno, omnes isti vocantur principes, caeteri autem sunt vel comites vel castellani vel nobiles.[1] Die Genauigkeit dieser Aufzählung lässt manches zu wünschen übrig, sie wird sich sogar im einzelnen nicht als ganz richtig erweisen; gibt sie uns aber auch nur im allgemeinen ein richtiges Bild, so muss offenbar bei einem Vergleiche mit dem Bestande des Fürstenstandes im zwölften Jahrhunderte eine bedeutende Aenderung eingetreten sein; es würde insbesondere von den früheren weltlichen Reichsfürsten nur noch ein verhältnissmässig geringer Theil dem Fürstenstande angehören. Um die Richtigkeit dieser Angabe zu prüfen, um Zeit und Art der Aenderung genauer zu bestimmen, werden wir uns nun freilich nach anderen Haltpunkten umzusehen haben.

Einen der wichtigsten bieten uns unzweifelhaft die Erhebungen in 64 den Reichsfürstenstand; und fänden wir solche für die erste Periode erwähnt, so würden sie uns den sichersten Anhalt schon für die Abgränzung des ältern Reichsfürstenstandes haben bieten müssen. Thatsächlich fand allerdings eine solche Erhebung statt, wenn ein Geistlicher Bischof oder Reichsabt, ein Edelherr Graf wurde; und abgesehen von dieser persönlichen Erhebung würden wir in älterer Zeit nach Massgabe unserer früheren Erörterungen selbst von der Errichtung eines Fürstenthums, wenngleich der Ausdruck selbst noch nicht geläufig war, in dem Falle sprechen können, wenn etwa eine mittelbare Abtei reichsunmittelbar, ein Reichsamt neu geschaffen wurde. Wird aber die Einzeluntersuchung ergeben, wie bei solchen Gelegenheiten fast nie darauf hingewiesen wurde, dass der Erhobene nun auch zu den Reichsfürsten gehöre, so müssen wir darin nur einen weitern Beweis sehen, wie man bei der grossen Ausdehnung des Standes, der nicht zu verkennenden Dehnbarkeit und Unsicherheit der Abgränzung nach unten, den so verschiedenen Rang- und Machtverhältnissen innerhalb desselben, dem ganzen Verhältnisse nur wenig Gewicht beilegte, während in späterer Zeit die Reichskanzlei volltönende Formeln häufte, um die Bedeutung der Erhebung hervortreten zu lassen.

Wenden wir uns zunächst zu den geistlichen Fürsten, so haben allerdings schon ältere Schriftsteller die Frage aufgeworfen, wann die Bischöfe zu Reichsfürsten erhoben worden seien, eine Frage, welche nahe lag, da ausser dem Reiche die Bischöfe eine ähnliche weltliche Machtstellung nicht einnahmen; der Herzog Albert von Sachsen

  1. Ed. Leibnitz p. 550. Dieselbe Stelle aus anderer Hs. bei Ducange ad v. princeps.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_123.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)