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schreibt ausdrücklich 1231 den deutschen Erzbischöfen und Bischöfen: An nescitis, quod estis inter episcopos aliarum terrarum singulari privilegio decorati, cum non tantum episcopi, sed et principes et domini sitis?[1]

Helmold beantwortete diese Frage dahin, K. Ludwig der Fromme habe die Geistlichkeit so geliebt, ut episcopos, qui propter animarum regimen principes sunt caeli, ipse eosdem nihilominus principes efficeret regni.[2] Wir werden in solchen Stellen kaum etwas anderes sehen dürfen, als die Neigung späterer Zeiten, alles Bestehende nicht auf Entwicklung, sondern auf Einsetzung zurückzuführen; waren die Principes die Ersten im Reiche und gestand man der Geistlichkeit, wie das im fränkischen Reiche von jeher der Fall war, überhaupt eine Bedeutung auch für das Staatswesen zu, so waren die Bischöfe von vornherein Principes regni und es dürfte eine müssige Frage sein, zu erörtern, wann sie es geworden seien. Die Grundlagen der weltlichen Macht der Bischöfe haben sich allerdings erst allmählig entwickelt; aber wir finden auch nicht das geringste, welches darauf hinwiese, dass dieser oder jener Bischof erst durch die Verleihung von Grafschaften und andern Regalien zum Reichsfürsten geworden sei. Doch ist es erklärlich, wenn man bei späteren Geschichtschreibern solcher Auffassung begegnet; so heisst es in der gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts entstandenen Chronik der Bischöfe von Münster bei Gelegenheit der Anwesenheit Bischof Hermann’s bei der Zerstörung von Mailand: Et ipse Hermannus, quod tam ipse, quam sui successores principes esse et appellari deberent perpetue, et alia iura vrigraviatus et alias dignitates ibidem ab imperatore obtinuit et acquisivit.[3]

Worte, wie die Helmolds, werden wir kaum dafür geltend machen dürfen, dass eine Erhebung in den Reichsfürstenstand den Anschauungen seiner Zeit nahe lag; denn es handelte sich hier weniger darum, wann Nichtfürsten zu Fürsten geworden seien, als vielmehr, seit wann man die Fürsten der Kirche zugleich als Fürsten des Reichs betrachtet habe. Finden wir hie und da Wendungen gebraucht, wie multis tam aecclesiae quam regni principibus conlaudantibus[4], werden hie und da Bischöfe von den Reichsfürsten geschieden[5], so bedarf es doch nach den frühern Ausführungen keiner Belege mehr dafür, dass, so weit wir die Reichsfürsten zurück verfolgen können, die Bischöfe ihnen angehört haben, dass weder alle, noch einzelne, in früherer Zeit durch besondere Verleihung zu Fürsten geworden sind.

Haben wir demnach auch keinen Grund, irgend einem Reichsbischofe in älterer Zeit den Fürstenstand abzusprechen, konnte von der Erhebung eines Bisthumes zum Fürstenthume überhaupt nicht die Rede sein, so fand allerdings eine persönliche Erhebung zugleich zum Fürsten statt,

  1. Or. Guelf. 4, 120.
  2. Helmold l. 1. c. 4.
  3. Münst. Geschichtsq. 1. 27.
  4. 1104: M. G. 4, 62.
  5. Vgl. § 24. 27.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_124.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)