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die Erhebung des Markgrafen von Este, geben uns also den Beweis, dass Markgrafen nicht schon als solche zugleich Reichsfürsten waren; und die sich hier ergebende Rangfolge: marchio – princeps – dux, welche sich in Deutschland weder nachweisen lässt, noch den dortigen Verhältnissen angemessen sein würde, dürfte darauf hindeuten, dass man in Italien die Markgrafen überhaupt nicht als Fürsten betrachtete. Dieselbe Rangfolge ergibt sich auch für Frankreich und für die zahlreichen seit K. Karl V. in den Niederlanden errichteten Markgrafschaften. Die weite Verbreitung und die geringe Bedeutung des Titels in diesen Ländern mag Veranlassung geworden sein, dass deutsche Grosse ihn bei der Erhebung in den Fürstenstand später nicht mehr erstrebten.

86 Die Erhebung zum Reichsfürsten konnte der Natur der Sache nach nur dem römischen Kaiser oder Könige zustehen; den Reichsvikaren stand das Recht nicht zu; sie erhoben höchstens, und auch das wohl erst im achtzehnten Jahrhunderte, in den Reichsgrafenstand.[1] Erhoben die burgundischen Landesherren zu Herzogen, Fürsten und Markgrafen, so waren dort besondere Verhältnisse massgebend.[2] Den Reichsfürsten standen überhaupt nicht einmal die niedern Standeserhöhungen zu. Eine Ausnahme machten auf Grundlage des Privilegs von 1453 die österreichischen Erzherzöge.[3] Früher schon übten ein solches Recht die Herzoge von Savoyen; 1427 errichtet der Herzog die Grafschaft Mont-Revel, 1460 die Grafschaft Baugé und überträgt dieselbe seinem Sohne mit allen Rechten, welche alii illustres comites sacri Romani imperii haben; da er dabei authoritate imperiali et ducali handelt, so dürfte ein Zusammenhang mit dem Reichsvikariate bestehen. Errichtet der Herzog dann aber auch Markgrafschaften, so 1460 die von Saint-Sorlin, 1565 die von Villars, so ist das wohl nur ein weiterer Beweis von der geringen Bedeutung dieses Titels in jenen Gegenden.[4]

87 Hätte sich der Gebrauch erhalten, Grosse auch in Beziehung auf einen einzelnen Reichstheil als Principes zu bezeichnen[5], so würde allerdings auch später eine Erhebung zu Fürsten in einem Reichsfürstenthume möglich gewesen sein. War jenes aber nur in Böhmen der Fall, so finden wir auch nur ein Recht des Königs von Böhmen zur Erhebung zu böhmischen Fürsten. Wir erwähnten bereits früher, dass die grossen böhmischen Kronvasallen seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts als Principes regni Bohemiae erscheinen.[6] Daraus lässt sich freilich noch nicht folgern, dass sie Fürsten durch Erhebung des Königs waren; bei den Bischöfen von Prag und Olmütz, den piastischen Herzogen von Schlesien lässt sich vielmehr annehmen,

  1. Vgl. Vitr. ill. 3, 624.
  2. Vgl. § 83.
  3. Vgl. Moser 4, 182.
  4. Guichenon h. de Bresse. 123. 65. 238. 169.
  5. Vgl. § 14. 18.
  6. Vgl. § 19.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_152.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)