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nachzuweisen; wir dürfen es nur noch als ausnahmsweise Ungenauigkeit betrachten, wenn z. B. 1228 unter den Zeugen mehrere Grafen angeführt sind und es trotzdem am Schlusse heisst: Acta sunt hec Nuremberc de consensu principum predictorum.[1]

In andern Kanzleien findet sich der alte Brauch vereinzelt wohl noch etwas später; so heisst es nach 1184 in bairischer Urkunde: in praesentia L. ducis Bavariae, ubi principes aderant comes D. de Wazzerburch et comes H. de Mittersele, S. comes de Niunburch, H. lantgravius de Rittenburch u. s. w.[2]; 1188 wird in einem Trienter Notariatsinstrumente der Graf von Orlamünde als Fürst bezeichnet[3]; noch 1198 schreibt der Graf von Dachsburg: nos et alii principes imperii.[4] Mit dem Ende des Jahrhunderts verliert sich aber nicht allein dieser Brauch gänzlich, sondern auch, wie die früher angeführten Beispiele zeigen, die andern Gebrauchsweisen der Ausdrücke Princeps und Principes, welche im Reiche ohne Beziehung auf den Reichsfürstenstand üblich waren; wir finden weder mehr, dass die kleinen lotharingischen Herren sich Fürsten nennen, noch dass ein Grosser von seinen Principes spricht; mit wenigen Ausnahmen finden wir im dreizehnten Jahrhunderte das Wort nur noch für die Reichsfürsten gebraucht.

93Liegt es in der Natur der Sache, dass bei einem solchen sich aller Voraussetzung nach langsam entwickelnden Verhältnisse und bei so ungenügenden Hülfsmitteln von einer genauen Zeitbestimmung kaum die Rede sein kann, so dürfte uns doch das bisher Gesagte berechtigen, zunächst das Jahr 1180 als den Zeitpunkt hinzustellen, an welchem sich der neue Begriff so weit festgestellt haben musste, dass es ihm gegenüber nicht mehr statthaft schien, im Kanzleistile die früher gebräuchlichen Bezeichnungen festzuhalten. Das bestätigt sich weiter bei Beachtung der in der Reichskanzlei üblichen Ausdrücke zur Bezeichnung der Gesammtheit der Grossen des Reichs.

In den Kaiserurkunden war häufig zu erwähnen, dass etwas auf Bitte oder Spruch, mit Rath oder Zustimmung oder doch in Anwesenheit der Grossen geschehen sei. Und zwar nicht bloss der Fürsten; denn vor dem Reiche konnten in den meisten Fällen auch der Edle und des Reiches Dienstmann Zeuge sein und Urtheil finden, wie die Rechtsbücher lehren und der Gebrauch in zahlreichen Stellen bestätigt, in welchen die zustimmenden oder anwesenden Grossen namentlich aufgeführt werden. Nahm nun, wie wir sahen, die Reichskanzlei früher keinen Anstoss, sogar namentlich aufgeführte Grosse bis zu den Reichsministerialen hinab, ja zuweilen selbst diese eingeschlossen, als Principes zu bezeichnen, so kann es natürlich noch weniger auffallen, wenn sie da, wo es nur galt, alle anwesende Grosse in einem Ausdrucke zusammenzufassen, selten Veranlassung nahm, durch den gewählten Ausdruck darauf hinzuweisen, dass nicht alle dem Fürstenstande angehörten.

  1. Guden 2, 56.
  2. M. B. 2, 357.
  3. C. Wangian. 81.
  4. Baluz. epp. Inn. 1, 689.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_159.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)