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X.

106 Aus den bisherigen Erörterungen ergab sich, dass die über den Reichsdienstmannen stehenden Grossen, wie früher, so auch noch im dreizehnten Jahrhunderte nur zwei Stände bildeten, geistliche und weltliche Fürsten einerseits, Prälaten und Magnaten andererseits, dass jedoch die Abgränzung des Fürstenstandes eine engere geworden war. Haben wir damit nun aber zugleich genügende Kennzeichen des Fürstenstandes gewonnen, reichen die gewonnenen Resultate hin, um für den einzelnen Grossen bestimmen zu können, ob er zu den Fürsten, oder aber nur zu den Prälaten oder zu den Magnaten gehörte? Für die geistlichen Fürsten haben wir in dieser Beziehung noch gar keine bestimmtere Anhaltspunkte gefunden. Für die weltlichen Grossen ergab sich wohl, dass die Grafen im allgemeinen den Fürsten nicht mehr zugezählt werden, ihnen dagegen unter den Magnaten nie eine andere Klasse vorgestellt wird. Es läge demnach nahe, die alten Amtstitel in der Weise als Kennzeichen des Fürstenstandes aufzufassen, dass wir diesen den über den Grafen stehenden Klassen, den Herzogen, Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen zusprächen, jeden Grafen dagegen als Magnaten betrachteten. Dagegen würde aber schon das bisher gesagte Bedenken erregen. Wurden nicht früher auch Markgrafen und Pfalzgrafen den Grafen zugezählt, wie sie noch 1187 der Kaiser als: marchiones, palatini comites, lantgravii et alii comites bezeichnet?[1] Und fanden wir nicht, dass Heinrich von Hessen, obwohl er schon früher den Landgrafentitel führte, dass der Graf von Savoyen, der sich doch Markgraf in Italien nannte, dass der Markgraf von Este zum Fürsten erhoben werden musste ?[2] Andererseits zeigten uns auch die Erhebungen von Savoyen und Geldern, dass der Grafentitel nicht als durchaus unvereinbar mit dem Fürstenstande galt. Im weitern Verlaufe werden wir uns immer mehr überzeugen, dass der neuere Fürstenstand ausser aller Verbindung mit den Amtstiteln stand; wir werden daher anderweitig nach Kennzeichen des Fürstenstandes suchen müssen, welche es uns möglich machen, für jeden einzelnen Grossen dessen Stand zu bestimmen.

107 Wir werden uns dafür zunächst an den Titel Princeps halten müssen und denjenigen den Fürsten zuzählen, welcher, sei es allein, sei es mit andern, urkundlich als Princeps imperii oder vom Kaiser als Princeps noster bezeichnet wird. Auf Ungenauigkeiten der Reichskanzlei werden wir freilich auch hier stossen, zuweilen jemanden, der nach allen andern Kennzeichen den Magnaten zuzuzählen ist, als Reichsfürsten bezeichnet finden; das kann wohl im einzelnen Falle die Untersuchung erschweren, aber doch so vielen andern gewichtigen Gründen gegenüber nicht beweisen, dass der Reichsfürstenstand kein scharf geschlossener gewesen sei.

  1. M. G. 4, 184. Vgl. § 48.
  2. Vgl. § 90. § 77. § 85.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)