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vollster Bestimmtheit der Rang angeben, welcher ihm allein oder gemeinsam mit einem Kollegen zugestanden wurde; nur etwa für die italienischen Bischöfe von Reggio, Imola und Modena wäre an ein solches weitergreifendes Wechseln zu denken. Dem spätern Reichstage waren solche Bestimmungen nicht fremd, da z. B. Lüttich und Münster im Range wechselten, ihnen aber auch Osnabrück dadurch gleichgestellt war, dass es immer den Sitz zwischen ihnen einnahm.

Was niedere Zeugenklassen angeht, so ist es schon wegen des seltenern Vorkommens in den Urkunden schwer, darüber zu urtheilen, ob der Grund der weniger hervortretenden Uebereinstimmung der Stellung der einzelnen etwa darin zu suchen ist, dass eine grössere Zahl im Range Gleicher die Stellung wechselte, oder ob ihr Rang überhaupt unbestimmt war, weil sie, wie die italienischen Bischöfe und Grossen, nur selten in grösserer Zahl am Hofe erschienen, oder weil ihre Zahl, wie die der Grafen, für eine durchgreifende Rangordnung zu gross war und demnach für die einzelnen gerade Anwesenden ein genügender Gesichtspunkt für die Anordnung fehlte. Ganz regellos scheint ihre Stellung doch kaum gewesen zu sein. Auf dem Römerzuge finden wir in acht Fällen gemeinsamen Vorkommens den Markgrafen von Montferrat immer vor dem von Este, was gewiss nicht Zufall sein kann. Auf dem Tage von Ravenna wird die Folge der Bischöfe von Reggio, Rimini, Imola nie gestört, wogegen freilich der Bischof von Modena vor, zwischen und hinter ihnen nachzuweisen ist. Ebendort dürfte es doch auch kaum Zufall sein, dass der Graf von Ortenburg denen von Nassau, Spanheim und Sain immer vorsteht, während es freilich wieder bei einem Vergleiche der Stellung der Grafen von Waldenburg, Schaumburg und Nassau schwer sein dürfte, danach über ihren Rang zu urtheilen. Regeln dürften auch hier bestanden haben; ob sie uns nach den vorliegenden Hülfsmitteln überhaupt erkennbar seien, möchte ich bezweifeln; eine genügendere Grundlage für solche Untersuchungen, als sie die Zeugenreihen des Tages von Ravenna bieten, wird kaum zu finden sein; andere versuchsweise verglichene Zeugenreihen haben mir keine festern Haltpunkte gegeben.

Es mag uns das Resultat genügen, dass es Regeln gab, nach welchen sich mindestens für die angesehenern Zeugen genau die Stellung bestimmen liess, welche sie ihrem Range gemäss einzunehmen hatten. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass diese Regeln nicht immer beobachtet wurden. Die Stellung der Bischöfe auf dem Frankfurter Tage scheint kaum mit Einhaltung einer Regel vereinbar. Auf dem Wormser Tage würde sich höchstens für einige wenige Zeugen eine feste Stellung innerhalb der Klassen ergeben. In einzelnen Zeugenreihen werden wir oft Abweichungen von der gewöhnlichen Ordnung der Personen und Klassen finden, welche jeder Regel zu spotten scheinen.

Häufige Nichtbeachtung einer Regel wird uns darum das Bestehen der Regel selbst noch nicht zweifelhaft machen dürfen; sie wird uns nicht einmal verbieten, aus der nachgewiesenen Regel weitere Schlüsse

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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_192.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)