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erkennbar. So muss uns schon der nächste Zweck veranlassen, auf die verschiedenen hier massgebenden Rücksichten näher einzugehen.

118Durchgreifend festgehalten zeigt sich zunächst der Vorrang der Geistlichen vor den Laien. In den bei weitem meisten Fällen macht sich dieser mit solcher Schärfe geltend, dass alle andern Gegensätze diesem gegenüber unwirksam werden, und alle Geistliche ohne Ausnahme allen Weltlichen vorangehen. Dooh treten hie und da auch Modifikationen durch anderweitige Gesichtspunkte ein.

Könige finden wir sehr häufig allen Geistlichen vorgestellt, sei es wegen ihrer hervorragenden politischen Stellung, sei es, weil auch ihnen durch Krönung und Salbung die Weihe der Kirche zu Theile wird. In den überaus seltenen Fällen, in welchen der regierende deutsche König in einer fürstlichen Urkunde nicht bloss als anwesend erwähnt, sondern als Zeuge aufgeführt wird, geht er durchaus allen Zeugen, auch den geistlichen Fürsten vor.[1] Doch fanden wir im zwölften Jahrhunderte vereinzelt sogar den römischen König bei Lebzeiten des Vaters und die Königin den Geistlichen nachstehen.[2] K. Friedrichs II. Kinder, die Könige Heinrich[3], Konrad[4] und Enzio[5] erscheinen durchweg vor allen Geistlichen. Was andere Könige betrifft, so erwähnten wir schon die schwankende Stellung des Königs von Böhmen auf dem Tage zu Wien 1237; im allgemeinen erscheint er häufiger nach[6], als vor[7] den Geistlichen. Auch die Könige von Jerusalem und Thessalonich können wir in Kaiserurkunden vor[8], wie nach[9] den Geistlichen nachweisen; die Königin von Kastilien steht ihnen 1191 nach.[10]

119Im vierzehnten Jahrhunderte finden wir wohl die Kurfürsten besonders bevorzugt, so dass die weltlichen unmittelbar auf die geistlichen Kurfürsten folgen, alle andern Geistlichen ihnen nachstehen. Anfangs scheint ein solcher Vorzug sich auf Urkunden, welche bei der Königskrönung ausgestellt wurden, beschränkt zu haben, denn in andern Urkunden vom Ende des dreizehnten und Beginne des vierzehnten Jahrhunderts findet sich nicht einmal bei Anordnung der weltlichen Fürsten der Vorrang der Kurfürsten gewahrt; so stehen 1290 Thüringen und Meissen vor Brandenburg und Sachsen, 1303 Oesterreich vor Sachsen.[11] Noch aus den Krönungsurkunden der Könige Rudolf und Adolf liesse sich höchstens der Vorrang vor andern weltlichen Fürsten begründen; zuerst erscheinen in einer am Krönungstage K. Albrechts, 1298 Aug. 4., ausgestellten Urkunde die Laienkurfürsten vor den Bischöfen; aber auch am folgenden Tage wieder allen Geistlichen nachgestellt.[12] Der Vorrang der Kurfürsten zeigt sich dann auch bei Heinrichs VII. Königskrönung[13],

  1. 1141. 1199. 1215: Schumacher Nachr. 6, 45. R. Boic. 1, 381. Huillard 1, 385.
  2. Vgl. § 40. 41.
  3. Reg. Fr. n. 360.
  4. l. c. n. 1088. 89.
  5. l. c. n. 1125. 39.
  6. Reg. Phil. n. 30. 42. 110. Fr. n. 52. 72. 108. 309. 362. 405.
  7. Reg. Fr. n. 817.
  8. l. c. n. 505.
  9. l. c. n. 499. 669.
  10. C. Wangian. 105.
  11. Reg. Rud. n. 1022. Lünig 18, 23.
  12. Reg. Albr. n. 5. 8.
  13. Reg. Heinr. VII. n. 4. Vgl. § 110 n. 17.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)