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bei Ludwigs Kaiserkrönung[1]; Regel wird dann der unbedingte Vorrang der Kurfürsten unter Karl IV., und zwar so, dass der König von Böhmen den geistlichen Kurfürsten noch vorsteht.[2] Beachtenswerth dürfte es sein, dass in Urkunde von 1360 ausser den Kurfürsten auch Herzog Rudolf von Oesterreich den Bischöfen vorsteht[3], ein Umstand, welcher im Privilegium maius seine einfache Erklärung findet; womit denn auch zusammenhängt, dass später Oesterreich und Burgund die ersten Sitze auf der geistlichen Bank des Reichsfürstenraths einnahmen.

120Es gibt nun aber auch manche Urkunden, in welchen der Vorrang des Geistlichen vor dem Laien zurücktritt gegen den Vorrang höherer Klassen von Laien vor niederen Klassen der Geistlichen, so dass allerdings der geistliche Fürst noch immer dem weltlichen Fürsten vorsteht, aber der Prälat zurücktritt. Beispiele dafür gaben wir schon für die Zeit des ältern Fürstenstandes.[4]

Tritt eine solche Scheidung der Geistlichen ein, so dürfen wir auch wohl mit Sicherheit annehmen, dass sie in der Regel mit Rücksicht auf ihre politische Stellung, auf ihr Verhältniss zum Reiche erfolgte, dass wir darin eine Scheidung von geistlichen Fürsten und Prälaten erblicken dürfen. In einigen solcher Stellen werden die Vorstehenden mit dem fürstlichen Prädikate Venerabiles beehrt, die nachstehenden als Honorabiles bezeichnet.[5] Es finden sich weiter in solchen Fällen ausser den Bischöfen nur noch einzelne Aebte den Laienfürsten vorgestellt, d. h. solche kirchliche Würdenträger, welche auch nach andern Kennzeichen Reichsfürsten sein konnten; ist letzteres bei den Pröbsten, dem Reichskanzler und Reichsprotonotar nicht mehr der Fall, so habe ich auch keine Stelle gefunden, in welcher diese Laienfürsten vorständen, wenn nicht zugleich alle andern Geistlichen vorstehen. Aus kirchlichen Rücksichten ist jenes Vorstehen von Aebten nicht zu erklären, denn der Abt als solcher behauptet keinen Vorrang vor dem Probste; in bischöflichen Urkunden stehen die Pröbste sehr gewöhnlich vor den Aebten; auch eine Kaiserurkunde von 1293 konnten wir anführen, in welcher eine Reihe nichtgefürsteter Aebte Pröbsten nachstand[6]; in einer Trierer Urkunde von 1197 geht zwar der Fürstabt von Prüm dem Domprobst und Domdechanten vor, aber vier andere Aebte folgen ihnen[7]; in Freisinger Urkunde von 1170 folgt sogar der Fürstabt von Tegernsee mit fünf andern Aebten auf die Pröbste[8]; und während wir in den Kaiserurkunden einzelne Aebte vor den Laienfürsten finden, stehen andere ihnen nach. Es kann nur der Reichsfürstenstand gewesen sein, welcher hier den Ausschlag gab; finden wir demnach die Aebte von Fulda, Prüm, Werden, S. Gallen, Reichenau,

  1. Olenschlager St. G. 156.
  2. z. B. 1376: Lünig 18, 560. Zahlreiche Beispiele bei Glafei, Pelzel u. s. w.
  3. Glafei 493.
  4. Vgl. § 45. 57.
  5. Vgl. § 110.
  6. Vgl. § 110 n. 20.
  7. Lünig 8, 122.
  8. M. B. 8, 517.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_196.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)