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Zeugen aus allen Theilen des Reiches auszeichnet, eine schwankende Stellung ergeben; wir finden nämlich einerseits die burgundischen Erzbischöfe von Lyon, Vienne, Bisanz und Embrun vor Ravenna, dagegen andererseits sämmtliche dreizehn italienische Bischöfe den vier burgundischen vorgestellt. [1] Finden wir auch sonst vereinzelt Italiener Burgundern vorstehen, so 1184 Verona vor Grenoble, 1189 Novara vor den zur burgundischen Provinz Tarantaise gehörigen Bischöfen von Maurienne und Aosta, 1310 Parma vor Genf [2], so scheint der Vorrang der Burgunder doch die Regel gewesen zu sein. Der Erzbischof von Bisanz steht vor denen von Tarent und Palermo [3], und waren diese Sizilianer, so sind auch Vienne vor Ravenna und selbst Aquileja [4], und in verschiedenen Urkunden Lausanne, Gap, Grenoble, Viviers, Marseille und Genf vor Bischöfen des italienischen Königreiches zu erweisen [5]; 1238 sogar der von Valence, obwohl er ausdrücklich nur als Erwählter bezeichnet ist.[6]

133 Ausnahmen von diesen Regeln, insbesondere Nichtbeachtung des Vorzuges der Deutschen, sind bei geistlichen Fürsten, welche wir bisher bei der Erörterung vorzugsweise berücksichtigten, sehr selten [7], und erklären sich auch dann zuweilen durch andere Rücksichten; wenn 1142 die Bischöfe von Concordia und Feltre, 1153 die burgundischen Bischöfe von Basel und Lausanne allen deutschen Bischöfen vorgestellt wurden [8], so geschah das wohl nur, um sie, wie in älterer Zeit mehrfach vorkommt, ihren Metropoliten, dem an der Spitze stehenden Patriarchen von Aglei und dem Erzbischöfe von Bisanz unmittelbar anzureihen; fanden wir 1220 auf dem Römerzuge den Bischof von Turin einmal vor den deutschen Bischöfen [9], so war die Erklärung in seiner Eigenschaft als Legat naheliegend. Im allgemeinen wird kaum eine andere Regel der Zeugenordnung von der Reichskanzlei so regelmässig eingehalten sein.

Fänden wir bezüglich der weltlichen Zeugen dieselbe Genauigkeit, so würden wir über die Standesverhältnisse der burgundischen und italienischen weltlichen Grossen uns leicht Gewissheit verschaffen können. Das ist aber keineswegs der Fall, wie wir im einzelnen mehrfach sehen werden. Bei den Burgundern scheint sich die Unterscheidung fast ganz verloren zu haben; wir können kaum sagen, dass z. B. die burgundischen Grafen in der Regel den deutschen nachfolgen. Bei den Italienern folgen freilich gewöhnlich die gleichen Ranges, es ist sogar nicht ungewöhnlich, dass italienische Markgrafen deutschen

Reichsministerialen nachstehen, so 1220 die von Malaspina und Carreto [10];

  1. Muratori ant. 6, 57.
  2. Menestrier b, 35. Schöpflin 1, 292. Reg. Henr. VII. n. 349.
  3. Guden syll. 46. Reg. Fr. n. 96.
  4. Notizenbl. 1, 308.
  5. M. G. 4, 45. Huillard 5, 188. 192. 194. 195. 211. Reg. Henr. VII. n. 345.
  6. Huillard 5, 232. 247.
  7. z. B. 1117 Trient und Konstanz hinter Italienern. Mittarelli 3, 269. 1162 Bremen zwischen Burgundern: Muratori ant. 6, 57. Die vor Deutschen: Reg. Fr. n. 99.
  8. M. B. 31, 401. Muratori ant. 6, 56.
  9. Vgl. § 116 n. 7.
  10. Huillard 2, 39.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_213.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2016)