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Dass die alten Grafen von Tirol aus den Häusern Tirol und Görz keine Reichsfürsten waren, wird keiner Belege bedürfen; es mag genügen, auf die Ausdrücke der Erhebung des Grafen Meinhard zum Herzoge von Kärnthen und Reichsfürsten im J. 1286 hinzuweisen.[1] Ebensowenig ist eine spätere Erhebung der Grafschaft zum Fürstenthume anzunehmen. Dagegen ist leicht erklärlich, dass man sich daran gewöhnte, dieselbe als Fürstenthum zu bezeichnen. Seit 1286 war ihr Herr ein Reichsfürst, der Herzog von Kärnthen, und zwar lag der Schwerpunkt seiner Macht mehr in der Grafschaft, als in dem unbedeutendern Herzogthume. Kam nun Kärnthen 1335 an Oesterreich, so hielt doch der Herrscher von Tirol, Johann von Böhmen, den Herzogstitel fest, wie seine Nachfolger, die Wittelsbacher Ludwig und Meinhard; Tirol stand demnach immer unter einem Herrscher, welcher sich als Reichsfürsten betrachtete, während doch insbesondere Johann kein anderes Fürstenthum besass. So dürfte sich die Uebertragung des Ausdruckes auf das Land leicht erklären; er war insofern auch später bedeutungslos, als die Landesherren ohnehin Reichsfürsten waren. Aus demselben Grunde war es für unsere Zwecke bedeutungslos, wenn Krain später als Herzogthum erscheint; nannten sich die frühern habsburgischen Herzoge und auch noch Herzog Rudolf IV. nur Herren zu Krain, so bezogen der letztere und seine Brüder seit 1364 den erzherzoglichen oder herzoglichen Titel auch auf Krain, wie sie denselben vereinzelt auch auf Tirol bezogen[2]; dem Lande Krain ist er seitdem geblieben.

160 Bei keinem der andern deutschen Grafenhäuser scheint mir ein genügender Grund vorzuliegen, zu untersuchen, ob sie im dreizehnten Jahrhunderte zu den Reichsfürsten gehörten; für jedes einzelne würde sich leicht das Gegentheil erweisen lassen. Finden wir etwa vereinzelt einen Grafen, wie z. B. 1375 den Grafen von Holstein, vom Kaiser zu den Fürsten gerechnet[3], so kann das neben so manchen andern Regellosigkeiten dieser spätern Zeit nicht befremden. Später wurden manche von ihnen, so auch der von Holstein, in den Fürstenstand erhoben und wir haben, so weit genügende Zeugnisse darüber vorliegen, keine Veranlassung, noch besonders zu erweisen, dass sie seitdem als Reichsfürsten betrachtet wurden. Bei einigen aber zeigten sich Bedenken; wir werden zu prüfen haben, ob die angebliche Erhebung wirklich die Betreffenden zu Fürsten machte.

Der Graf von Geldern wurde 1317 in den bestimmtesten Ausdrücken zum Fürsten erhoben; trotzdem finden wir 1339 eine damit unvereinbare abermalige Erhebung.[4] Da in der Zwischenzeit in den Urkunden des Grafen keinerlei Anzeichen einer Standesänderung hervortritt, er vielmehr nach wie vor als edler mann bezeichnet wird[5], der Kaiser 1336 ausdrücklich schreibt: spectabili R. comiti Gelrie

  1. Vgl. § 75 n. 3. 4.
  2. Vgl. z.B. Steyerer 399. 401. 499.
  3. Lacombl. 3, n. 775.
  4. Vgl. § 77.
  5. 1323. 28: Lacombl. 3, n. 197. 238.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_236.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)