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ipsum Joannem premori contigerit, ac heredibus utriusque die Mark und die Reichslehen ihres Vaters zu ertheilen; das geschieht denn auch, doch so, dass auch im Verlauf der Urkunde nie von zwei Markgrafen, sondern nur vom Johanni marchione et Oddone fratre eius die Rede ist.[1] Mochte aber die Reichskanzlei an solchen Unterscheidungen noch festhalten, so erscheinen übrigens beide in ihrer Stellung zum Fürstenthume ganz gleichberechtigt; seit 1226 nahmen beide den markgräflichen Titel an und führen die Regierung ganz gemeinschaftlich, ohne dass ein Vorzug des einen hervorträte.[2] Aber auch in Reichsangelegenheiten handeln beide als Markgrafen; bei der Vermittlung zwischen Papst und Kaiser im J. 1240, wo doch für das thüringische Haus nur Heinrich als Vertreter erscheint, fertigen sie beide das betreffende Schreiben als J. et O. dei gratia marchiones et fratres de Brandeborch aus; an beide Markgrafen wenden sich 1246 der Papst, 1266 die Städte wegen der Königswahl.[3] Auch später suchen sie alle Belehnungen zu gesammter Hand zu erhalten, wie sie selbst, z. B. 1250 bei der Gesammtbelehnung der Herzoge von Pommern, gemeinsam als Lehnsherr auftreten[4]; 1245 leiht der Bischof von Halberstadt den beiden Markgrafen die Kirchenlehen integraliter simul utrisque in solidum, quod coniuncta manu appellatur[5]; 1253 belehnt dann K. Wilhelm beide Markgrafen mit Lübeck, mit der Anwartschaft auf das Herzogthum Sachsen, mit den Reichslehen des Richard von Zerbst; und jetzt werden beide auch ausdrücklich von der Reichskanzlei als Fürsten anerkannt: illustribus viris J. et O. marchionibus Brandenburgensibus principibus nostris; heisst es in der Urkunde über Lübeck: nobilibus viris dilectis principibus nostris, so ist das offenbar nur eine bedeutungslose Unregelmässigkeit.[6]

194 War in Brandenburg einmal das Beispiel gegeben, dass es mehrere Fürsten von einem Fürstenthume geben könne, so wurde das für die nun folgende Periode der Theilungen um so wichtiger, als Erledigungen, bei welchen mehrere Söhne vorhanden waren, nach der Mitte des Jahrhunderts eben so häufig, als vor derselben selten waren. Denn in den beiden nächsten Dezennien kommen nur zwei Erledigungsfälle vor, bei welchen kein Sohn da war, in Schwaben 1268, in Kärnthen 1269; nur ein Fall, wo nur ein Sohn da war, in Schwaben 1254. Dagegen waren in Baiern 1253, in Kärnthen 1256, in Sachsen 1260 zwei, in Anhalt 1252 ausser zwei Geistlichen drei, in Braunschweig 1252 vier, und in Brandenburg 1266 und 1267 neun Söhne vorhanden, während in Meissen der bis 1288 regierende Markgraf drei Söhne hatte. Und man trug denn nun auch durchweg kein Bedenken, alle als Fürsten zu betrachten.

  1. Huillard 4, 270.
  2. Riedel Mark 2, 66.
  3. M. G. 4, 337. 362. 379.
  4. Riedel 1, 31.
  5. Riedel 1, 24.
  6. Riedel 1, 33. 37.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_282.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)