Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 283.jpg

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Es liegt wohl am nächsten anzunehmen, dass, wie in Brandenburg, Gesammtbelehnung dafür einen Anhalt gab, welche bei der Schwäche der Reichsgewalt unzweifelhaft leicht zu erreichen war, falls man es überhaupt noch für nöthig hielt, dieselbe zu berücksichtigen. Bekannt ist mir in dieser Beziehung nur die Urkunde K. Wilhelms, durch welche er auf Bitten Herzog Bernhards dessen Söhnen Ulrich und Philipp, Erwähltem von Salzburg, das Herzogthum Kärnthen in solidum leiht, so dass, wenn Ulrich ohne lehnsfähige Nachkommen verstirbt, Philipp das Herzogthum, wie andere Herrschaften und Würden seines Vaters erhalten soll, ad que et quos opere divina feliciter gubernandos habilitamus te de nostre plenitudine regie potestatis, quiescente prorsus obiectu quod in Saltzburgensem archyepiscopum es electus, consecrandus aut etiam consecratus ac quavis legalia contraria non obstante.[1] Die Echtheit dieser, auch für spätere Untersuchungen wichtigen Urkunde, ist nun aber von gewichtigster Seite in Abrede gestellt; nur in Abschrift erhalten, sind Zeit und Ort der Ausstellung, 1249 März 21 zu Neuss, gar nicht zusammenzubringen, auch nicht durch einzelne Aenderungen in den Zeitangaben, da Inkarnationsjahr und Indiktion vollkommen stimmen und sogar ein Aufenthalt des Königs zu Neuss im März irgend eines anderen Jahres unwahrscheinlich ist. So überaus bedenklich das ist, so ergibt sich doch wieder ein anderes Zusammentreffen, welches bei Annahme der Unechtheit der Urkunde schwer zu erklären sein dürfte. Unter den Zeugen derselben finden wir den Bischof von Seckau; und die Untersuchungen über die staatsrechtliche Stellung desselben werden zeigen, dass das Erscheinen desselben am königlichen Hofe überhaupt und zumal in dieser Gegend etwas überaus auffallendes ist. Nun war aber 1251 Juni 17 der Bischof wirklich zu Neuss beim Könige nach einer für ihn dort ausgestellten Urkunde[2], welche bezüglich der Zeit und des Orts ganz unverdächtig ist, da nicht allein die verschiedenen Zeitangaben zusammenstimmen, sondern auch die damalige Anwesenheit des Königs zu Neuss durch eine zwei Tage später dort ausgestellte Urkunde bestätigt wird.[3] Dass der Bischof von Seckau, welcher nicht Reichsbischof war, nicht lediglich nach Neuss kam, um sich dort Rechte seiner Kirche bestätigen zu lassen, ist unzweifelhaft; sein Erscheinen ist fast nur dann zu erklären, wenn ihn ein Auftrag des Erwählten von Salzburg, welcher, wie wir sehen werden, auch sein weltlicher Herr war, dort hinführte. Ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall, dass ein Bischof von Seckau mit einem römischen Könige zu Neuss zusammengewesen ist, nie ein zweitesmal vorgekommen, so lassen sich diese so auffallend zustimmenden Angaben der Urkunde im Falle ihrer Unechtheit nur daraus erklären, dass man bei ihrer Anfertigung eine 1251 gegebene echte Urkunde zum

  1. Wiener Jahrb. 108, 138. Vgl. Reg. Wilh. n. 58 und Add. XV.
  2. Dipl. Stir. 1, 324.
  3. Lacombl. 3, n. 874.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_283.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)