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Fürstenrathe hatte, mitzählen, dürfte für die spätern Jahrhunderte als Durchschnitt gelten können.

Dass die Zahl sich später trotz des Hinzukommens der jüngeren und neuen Fürsten nicht erheblich steigerte, hat nicht lediglich in dem Aussterben von Geschlechtern oder Linien derselben seinen Grund, sondern insbesondere auch darin, dass man den Grundsatz, dass alle Söhne gleichberechtigte Reichsfürsten seien, auf die Dauer nicht streng festhielt. Für die Kurlande hatte schon die goldene Bulle Untheilbarkeit und Nachfolge des Erstgebornen festgestellt. In andern Fürstenhäusern finden wir ausdrückliche Einführung der Primogenitur allerdings erst gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts, so 1573 in Mecklenburg, 1582 in Braunschweig-Wolfenbüttel, 1584 in Steiermark, 1588 in Baiern, 1591 in Pfalzzweibrücken, später in den meisten Fürstentümern; am gleichen Recht der Brüder hatte man aber schon früher vielfach nicht festgehalten. Dahin gehört einmal, dass selbst da, wo Theilungen stattfanden, einzelne Brüder bevorzugt erscheinen; von vier Söhnen Philipps von Hessen erhielten 1567 nach Verfügung des Vaters der älteste die Hälfte, der zweite ein Viertel, die andern je ein Achtel der Lande. Oder aber es wurden alle oder mehrere jüngere Söhne nur appanagirt, so dass ihnen nur ein Jahreseinkommen oder ein bestimmter Landesbezirk mit dessen Einkünften zugewiesen war, aber ohne volle Regierungsgewalt. Solche appanagirte Fürsten waren 1582 die Brüder des Kaisers, die pfälzischen Linien zu Sulzbach, Vohenstrauss und Birkenfeld, die braunschweigischen zu Harburg und Dannenberg, die badische zu Rodemachern, die mecklenburgischen in Windenhagen und Ivenack, die pommerischen zu Barth, Rügenwalde und Kamin, die holsteinische zu Sonderburg; dann die lothringischen Nebenlinien, für welche ein entsprechendes Verhältniss von altersher herkömmlich war. Alle diese haben wir bei den Zahlenangaben für 1582 unberücksichtigt gelassen, weil allerdings jeder regierende Fürst, auch wenn er, wie in Hessen, auf einen kleinen Theil des Fürstenthums abgetheilt war, eine fürstliche Stimme führte, den nichtregierenden aber eine solche nicht zustand.[1]

Wir betonten oben das J. 1582, weil sich nach der Stimmabgabe 199 auf dem Reichstage dieses Jahres das spätere Stimmenverhältniss im Reichsfürstenrathe regelte. Bis dahin führte jeder regierende Fürst eine Stimme, welche erlosch, wenn seine Besitzungen an einen andern Fürsten fielen, während bei der Regierungsnachfolge einer Mehrzahl von Söhnen jedem derselben eine Stimme zustand. Zuerst wurde nun auf dem Reichstage von 1594 von Kurpfalz die Stimme der 1592 ausgestorbenen Linie von Lautern, von den sächsischen Häusern die der Ende 1582 ausgestorbenen Grafen von Henneberg geführt; anfangs nicht unbestritten stellte sich dann der Grundsatz fest, dass jede 1582

  1. Vgl. Moser 34, 998.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_293.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)