Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 350.jpg

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gegen einen Missbrauch des Rechtes getroffen, dasselbe wlllkürlicher Verfügung entzogen, so finden wir auch häufig die Stifte durchaus wie andere Vermögensbestandtheile vererbt, verschenkt oder anderweitig veräussert. Heisst es 1028 bei Gründung eines Klosters bei Turin, dasselbe solle weder in der Gewalt des Bischofs, noch einer andern Person sein, nisi in Dei omnipotentis, quem eiusdem facimus heredem, et sequente eo sit ordinatum[1], so scheint diese Auffassung, dass ein irdischer Herr ganz fehlen könne, für jene Zeit eine durchaus vereinzelte zu sein. Das belegen wohl sehr deutlich die sorgfältigen Verfügungen, welche 1036 Graf Ulrich von Lenzburg bezüglich seines Stiftes Beromünster traf; damit es nicht unter einer Mehrheit von Herren zu leiden habe, vermachte er es mit Ausschluss der übrigen nur einem seiner Enkel; es sollte dann immer auf den ältesten Erben übergehen, welcher bestimmte Bedingungen einzuhalten hatte; verletze er diese, so soll es an den Bischof von Konstanz kommen; endlich, wenn auch dieser sein Recht missbraucht, an den Kaiser; damit schien ihm dann aber auch die Möglichkeit weiterer Substituirung erschöpft: ipsi vero imperatori non pono auctorem vel iudicem nisi deum regem regum, de quo cogatur in die iudicii reddere rationem, quam bene et caute praedictam canonicam studuerit tueri.[2] Das Stift mit seinem weltlichen Besitze lediglich dem Schirme der kirchlichen Gewalten als solcher anzuempfehlen, scheint demnach ein ihm ganz fernliegender Gedanke gewesen zu sein; das Bedürfniss weltlichen Schutzes scheint jene Ansicht eines irdischen Herren der Temporalien aufrecht erhalten zu haben.

Herr der Abtei konnte ein geistlicher Würdenträger sein, der Papst, ein Bischof, ein anderer Abt, und zwar ganz abgesehen von ihrem eigentlichen kirchlichen Wirkungskreise, da insbesondere die bischöflichen Abteien häufig in fremden Sprengeln lagen und der geistlichen Gewalt des Herrn gar nicht unterstanden; aber auch Laien des verschiedensten Ranges. Das Herrschaftsverhältniss tritt äusserlich insbesondere dadurch hervor, dass der jedesmalige Abt, sei es nun dass er frei gewählt war oder dass der Herr sich unmittelbarerem Einfluss auf seine Bestellung anmasste, durch den Herrn in den weltlichen Besitz des Stifts eingewiesen, ihm das donum oder die investitura der Abtei ertheilt wurde. Bei der abbatia regalia, der Reichsabtei, stand, wie bei den Reichsbisthümern, die Investitur mit den Temporalien oder, wie sie hier als vorzugsweise vom Reiche herrührend gewöhnlich hiessen, den Regalien, dem Könige zu; sie den Bischöfen und Aebten, qui ad regnum pertinent, mit dem Szepter zu ertheilen, wurde 1122 im Wormser Konkordate ausdrücklich bewilligt. Wie dann im Laufe des zwölften Jahrhunderts die Stellung des Reichsbischofs und Reichsabtes zum Reiche als Lehnsverhältniss aufgefasst wurde, während andere Geistliche strenggenommen dem Kreise des Lehnrechts ganz fern bleiben sollten, werden

  1. Muratori ant. 5, 526
  2. Schannat vind. 1, 174.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_350.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)