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habe ich Zeugnisse für spätere Reichsunmittelbarkeit gefunden. K. Otto schreibt 1209, dass der Graf von Forcalquier dem Kloster, quod nullo mediante ad nos in temporalibus pertinet, die Burg Pertuis entzogen habe und fordert den Bischof und die Stadt Avignon auf, ihm zu seinem Rechte zu verhelfen; und nochmals schreibt K. Friedrich 1224 über dieselbe Sache und gleichfalls die Unmittelbarkeit betonend[1]; später, so 1257 und 1304, leistete der Abt für Pertuis und andere Besitzungen den Grafen von Provence den Treueid.[2]

In früherer Zeit werden manche andere Reichsabteien erwähnt; schon 775 fanden wir S. Hippolit auf den lerinischen Inseln und S. Maurice oder Agaunum im Sprengel von Sitten als Muster für die Freiheit von Farfa aufgestellt[3]; die Matrikel von 817 nennt als Reichsabteien Nantua und Savigny im Sprengel von Lyon, welche 852 dem Erzbischofe geschenkt wurden[4], Cruas im Sprengel von Viviers, Donzere im Sprengel von S. Paul, welches an den Bischof von Viviers gekommen zu sein scheint[5]; und die Zahl derselben dürfte viel beträchtlicher gewesen sein, da die Matrikel von 817 offenbar nur einen kleinen Theil der Reichsabteien aufzählt. Da aber im Arelat lange Zeit die königliche Gewalt völlig unwirksam war, so würde der Verlust der Unmittelbarkeit auch ohne ausdrückliche Verschenkung sich leicht erklären; es ist aber auch sehr wohl möglich, dass manche Abteien ihre Unmittelbarkeit behaupteten oder in staufischer Zeit wiedererhielten, wenn sich auch Zeugnisse dafür nicht erhalten haben oder mir unbekannt geblieben sind.

In Italien finde ich niemals einen Abt oder eine Aebtissin den 249 Fürsten zugezählt, obwohl es an Kaiserurkunden für die dortigen Abteien in keiner Weise fehlt. Könnten wir uns daher von diesem nächsten Gesichtspunkte aus nähern Eingehens überheben, so liegt doch die Frage nahe, ob das etwa darin seinen Grund hatte, dass es hier in der Zeit des neuern Fürstenstandes keine unmittelbar dem Reiche gehörende Abteien mehr gab, also das Verhältniss fehlte, mit welchem wir wenigstens in Deutschland den Fürstenstand durchweg verbunden fanden. Das war nun keineswegs der Fall.

Beginnen wir mit der Provinz von Aglei, so sagt 1159 K. Friedrich in Urkunde für S. Zeno zu Verona: Inde est, quod nos venerabilem predictum abbatem et monasterium s. Zenonis sub nostram imperialem tuitionem et protectionem suscepimus ipsumque abbatem suscepta ab ipso debita fidelitate cum hominio de omni honore et iure suo solempniter investivimus; auch 1210 erhält der Abt nach geleisteter Huldigung von K. Otto die Belehnung.[6] Der Aebtissin von S. Michael bei Verona bestätigt 1220 K. Friedrich die von seinen Vorgängern

  1. Papon 2, 37. Huillard 4, 430.
  2. Gallia chr. 1, T. 610. 611.
  3. Vgl. § 247 n. 5.
  4. Reg. Kar. n. 611. 612.
  5. Vgl. § 213 n. 17.
  6. Muratori ant. 6, 245. Reg. Ott. n. 121.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_387.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)