Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 396.jpg

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wird einmal geltend gemacht das Interesse der römischen Kirche, welcher das Stift zinspflichtig sei, dann aber auch das Interesse des Kaisers und des Reichs: utpote in quo dicti monasterii temporalitates et regalia, quibus ab eodem imperio est dotatum et fundatum, tanquam bona feudalia dependere et a praelatis eiusdem monasterii a dicto imperatore et suis antecessoribus recognita, ab ipsis quoque de eisdem investiti fore dignoscuntur.[1] Erhob Salzburg auch noch später zuweilen Ansprüche auf das Stift[2], so behauptete es doch seine Unmittelbarkeit. Dagegen fehlt noch im fünfzehnten Jahrhunderte jede Andeutung, dass man es als ein fürstliches betrachtete; bis zum J. 1558 stimmte es auch auf den Reichstagen immer nur mit den Prälaten; ohne dass uns dann aber etwas über eine Standesänderung bekannt wäre, stimmt der Probst seit 1559 immer mit den Fürsten[3], wird 1577 vom Kaiser, 1582 vom Papste ausdrücklich als Reichsfürst bezeichnet[4] und von da ab immer als solcher betrachtet. Es handelt sich also hier um ein Verhältniss, welches erst späterer Zeit angehört und das Resultat der früheren Untersuchung, wonach kein Probst den Reichsfürsten angehörte, nicht beeinträchtigen kann.

252 Der einzige Probst, für welchen ich schon in früherer Zeit den Fürstentitel nachzuweisen vermag, ist der von Wissehrad; in Urkunden böhmischer Könige seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts heisst es sehr häufig: Venerabilis praepositus Wissegradensis princeps noster dilectus.[5] Dadurch ist er aber nur als böhmischer Fürst bezeichnet und es ist kein Grund, ihn zugleich als Reichsfürsten zu betrachten; denn erhält er denselben Titel auch in Urkunden K. Karls und K. Wenzels[6], so wird auch darin nur eine Beziehung auf das Königreich Böhmen zu sehen sein. Bei der Stiftung der Kirche um 1088 wurde sie zu jährlicher Zinszahlung an Rom verpflichtet, 1144 bezeichnet sie der Papst als juris sancti Petri[7] und 1187 bestätigt ihr der Herzog: ut amputatis omnium aliarum vexationibus potestatum, soli duci principali respectum habeat[8]; sie stand also, auch als königliche Kapelle bezeichnet[9], unmittelbar unter der Krone, wie die Reichsprobsteien, und diente, wie diese, vorzugsweise zur Ausstattung der Kanzler. Doch scheint auch abgesehen davon der böhmische Kanzler zu den böhmischen Fürsten gerechnet worden zu sein, da der Kanzler Wenzel, Patriarch von Antiochien, welcher erst 1403 die Probstei erhielt, schon seit 1394 von K. Wenzel mehrfach als princeps noster dilectus bezeichnet wird.[10] Die Stellung des Probstes von Wissehrad diente unzweifelhaft zum Vorbilde, als Herzog Rudolf von Oesterreich 1365 an S. Stephan zu Wien ain furstlich stifft gründete, welches ainen gefürsten probst

  1. Hund 2, 174.
  2. Hund 2, 197. Moser 34, 393.
  3. Moser 34, 394.
  4. Hund 2, 189. 175.
  5. 1295–1342: C. d. Mor. 5, 30. 71. 85 u.s.w. C. d. Lus. sup. 1, 167. 169. Stenzel 288.
  6. 1360. 81: Glafei 134. Pelzel Wencesl. 1, 45.
  7. Erben n. 175. 242. vgl. n. 867. 919. 1250. 1302.
  8. Erben n. 392.
  9. Ducange ad v. capella.
  10. Pelzel Wencesl. 1, 128. 2, 36. 108. 118. Vgl. Palacky 3b, 18.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_396.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)