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aber wahrnahm, dass Lupus wie angewurzelt stehen blieb, und aus seinem Gebaren leicht entnehmen konnte, in welcher Absicht er gekommen sei, nahm sie ihr unvermeidliches Schicksal hin, entblösste ihren Hals, rief nach Art derer, die mit dem Leben abgeschlossen haben, Götter und Menschen an und hiess ihn nicht mit der Ausführung dessen zögern, was ihr zugedacht sei. 200 Alsdann empfing sie mutig den Todesstoss von Lupus’ Hand, und mit ihr starb auch ihre Tochter. Lupus aber eilte sogleich zu Chaerea zurück, um ihm von der Vollziehung des Auftrages Meldung zu machen.

(5.) 201 Ein solches Ende nahm Gajus nach einer Regierung von vier Jahren weniger vier Monaten.[1] Auch schon ehe er den Thron bestieg, war er hartherzig und grausam bis zum äussersten, dabei wollüstig und aller Angeberei zugänglich. Überall Gefahren witternd, war er stets mit Bluturteilen bei der Hand und liess in thörichtem, dünkelhaftem Stolz seine Macht nur die fühlen, welche es am wenigsten verdient hatten. 202 Durch Mord und Ungerechtigkeiten scharrte er Reichtümer zusammen und erkannte weder Götter noch Gesetze an, während er dagegen vor dem Beifall der Menge sich beugte. Alles, was das Gesetz als schändlich brandmarkt, achtete er höher wie die Tugend. 203 Gegen seine Freunde bewies er wenig Erkenntlichkeit, so anhänglich und erprobt er sie auch gefunden haben mochte, und in seinem zügellosen Jähzorn verhängte er selbst über die leichtesten Vergehen die entsetzlichsten Strafen. Jeder Gutgesinnte war sein Feind, und in leidenschaftlicher Geltendmachung seines Willens kannte er keine Grenzen. 204 So scheute er sich auch nicht, mit seiner leiblichen Schwester Unzucht zu treiben,[2] wodurch er freilich heftigen Abscheu und eine Feindseligkeit bei den Römern wachrief, wie sie seit langer Zeit nicht dagewesen

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/605&oldid=- (Version vom 13.12.2020)
  1. Nach Suetonius von drei Jahren zehn Monaten und acht Tagen.
  2. Vergl. Suetonius, Caligula, 24, sowie Dio Cassius, LIX, wo die Angabe des Josephus bestätigt wird.