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216 Das alles steigerte die Angst des um sein Leben besorgten Claudius, besonders als er auch noch die Häupter des Asprenas und seiner mit ihm gefallenen Genossen umhertragen sah. Eines Tages nun stand er im Schutz der Dämmerung auf einer Anhöhe von einigen Stufen, 217 als ihn Gratus, ein Soldat der Palastwache, bemerkte, und da dieser ihn in der Dämmerung nicht genau zu erkennen vermochte, ging er in der Meinung, einen gefährlichen Menschen vor sich zu haben, auf ihn zu. Claudius bat ihn, nicht näher zu treten; doch der Soldat kehrte sich nicht daran. Als dieser nun die Hand nach ihm ausstrecken wollte, erkannte er ihn und rief seinen herbeigelaufenen Kameraden zu: „Das ist Germanicus,[1] wohlan, lasst uns ihn zum Caesar ausrufen!“ 218 Da nun Claudius gewahrte, dass die Soldaten willens waren, ihn mit Gewalt zu entführen, und ein ähnliches Schicksal, wie es den Gajus ereilt, befürchtete, bat er sie, seiner zu schonen, und erinnerte sie daran, dass er sich keiner Ungerechtigkeiten gegen andere schuldig gemacht habe, und dass alles, was vorgefallen, ohne sein Wissen geschehen sei. 219 Gratus aber ergriff ihn bei der Rechten und sprach zu ihm: „Sprich doch nicht so dummes Zeug, sondern blick auf und denke daran, dass die Götter zum Heile des Erdkreises die Herrscherwürde von Gajus genommen und deiner Tugend zum Lohn gegeben haben. Komm daher und besteige den Thron deiner Vorfahren.“ 220 Dann richtete er den Claudius auf, der vor Furcht und zugleich vor Freude über das Gehörte zusammengesunken war.

(2.) 221 Bald hatten sich um Gratus viele Soldaten der Leibwache geschart, und als sie Claudius wegführen sahen, gerieten sie in Betrübnis, da sie nicht anders meinten, als er werde wegen der letzten Vorgänge zum Tode geschleppt. Claudius hatte sich ja sein ganzes

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/608&oldid=- (Version vom 13.12.2020)
  1. Dem Drusus und seinen Nachkommen war vom Senat der Beiname Germanicus zuerkannt worden. Vergl. Suetonius, Claudius, 1.