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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

jetzt ein Lohnlaquai ist, sich einen Reichsstand nennt und vom senatu populoque Wetzlariensi spricht. Sonst weiß ich dir von der Stadt selbst nichts zu sagen, denn man merkt ihr es kaum an, daß das Reichsgericht hier ist, weil die Assessoren sie gar nicht lebhaft machen. Keiner von ihnen zeichnet sich in dieser Rücksicht aus, und der Kammerrichter, der über 16000, rheinische Gulden Einkünfte hat, geht lieber zu Fuße, als daß er mit 4 Pferden zu Rathe fährt. Oeffentliche Lustbarkeiten giebt es kaum, und ein Theater-Unternehmer, der im vorigen Sommer hieher kam, weil er nichts Bessers wußte, mußte schon nach 3 Wochen wieder abziehen, weil der Ruin seiner ganzen Gesellschaft die Folge eines längern Aufenthaltes gewesen seyn würde. Indessen würdest du sehr irren, wenn du hieraus auf einen allgemeinen Fleiß schließen wolltest, den Einige kaum den Namen nach kennen, wie du weiter unten hören wirst.

Das Kammergericht befindet sich jetzt über ein volles Jahrhundert in dieser Stadt, seit es von dem französischen Mordbrennerführer von Speier vertrieben und größtentheils zerstreut ward. Seit dieser Zeit hat es zwar einige Revolutionen in der Verfassung, aber fast keine Veränderung in den Sitten und Gebräuchen des ganzen Personals erlitten. Dies macht hauptsächlich 4 Klassen aus, die gleichsam