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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

Romane. Hier war es, wo Werther–Jerusalem so vergnügte Stunden verlebte, wo er das Wagenrad zeichnete und den Kindern Kreuzer schenkte. Der Henker mag aber seinen Geschmack holen, wenn er auch auf der dürren Straße hin gewandert ist, wie Einige behaupten. Ich glaube es nicht, weil mir der Weg über das Gebürg mehr wertherisch scheint und es auch gewiß ist. Göthe mag uns darüber aufklären. So viel sage ich nur noch, daß man in dieser Gegend die Leiden mit noch einmahl so viel Genuß und Vergnügen ließt, als an jedem andern Orte. An jedem Baum, an jedem bemoosten Steine erinnert man sich, hier saß der wackere Jüngling und dachte seine Lotte; hier stand er und starrte hinüber über die grüne Wiese und den kleinen Hügel nach den glücklichen Thürmen, bey denen sein Eins und Alles unter den Kleinen hingekauert war, oder einen Gang auf dem Flügel machte; hier irrte er hülflos herum am Abend vor jener entscheidenden Nacht; hier an diesem Felsengestein verlor er seinen Hut. Lache mich nicht aus, wenn ich dir sage, daß ich oft tief in der Nacht noch einen Gang hieher gemacht habe, und wenn ich dann an dem Kirchhofe vorüber kam, wo er in einem engen Hause schläft, seinen Hügel mit duftenden Blumen überstreute. Jetzt wird wohl keine zweite Wertheriade