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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

mehr veranlaßt werden; denn wenn es hier auch noch einen Werther geben sollte, so haben wir doch gewiß keine Lotte und keinen Göthe, um die Geschichte zu mahlen und mit dem Reichthum seiner Phantasie auszuschmücken. Auf dem Zimmer, wo sich Werther erschoß, liegen jetzt Buchdruckerballen, und kein Stein auf dem Kirchhofe sagt es dem an einer gleichen Herzenswunde leidenden Fremdlinge: Hier ruht dein Bruder. Was übrigens Wahres und Erdichtetes an der ganzen Geschichte ist, habe dir zu sagen jetzt keine Lust. Einer meiner hiesigen Bekannten, der nicht genannt seyn will und mit Werthern sehr vertraut war, hat ihm an einem Orte ein kleines Denkmal errichtet, wo es Niemand suchen sollte. Sehen Sie, sagte er eines Tages zu mir, als er mich damit bekannt machte, wenn ich Jemand ausser meinen vertrautesten Bekannten etwas davon sagte, so würde gleich ganz Wetzlar allarmirt werden, man würde mich einen Schwärmer, einen Narren und weiß Gott wie nennen, besonders die Bekenner der strengen Wissenschaften und vollends der Troß von Brodtstudenten. Das Ganze steht in einer einsamen schauerlich-schönen Gegend zwischen zwey hohen Pappeln und stellt ein Grabmal vor, das zwey traurende Liebesgötter mit Blumenopfer kränzen. Ueber demselben ist ein Leichentuch ausgebreitet,