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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Jawohl, jawohl Vater Nikiphor“, stotterte der Schmied und sprang eilig davon. Der kleine Krisch drängte sich inzwischen leise an den Volksschullehrer, faßte seine Hand und flüsterte heiser: „Mutter wird sterben“.

In einer zärtlichen Regung faßte Stepan Nikolaitsch den Kopf des Kindes, seufzte und preßte ihn an seine Brust. Ein tröstendes Wort fand er nicht.

Der Schmied kam mit den Decken. Die beiden Männer hüllten sich hinein, der Pope machte eine Geberde des Segnens und Beide schritten ins Freie.

Das Gewitter hatte seinen Zorn ausgetobt. Nur in der Ferne grollte noch ein wuchtiges Donnern und eintönig prasselte der Regen nieder. Glänzend und frisch stand das Grün des Bergrückens gegen das schwere Grauviolett der Wolken, blank und gewaschen leuchteten die Dächer des Fleckens, das Flüßchen strömte mit leisem Gurgeln vorüber und links am Ende des Ortes hob sich in großen Linien das freiherrliche Schloß.

Wuchtig schritt Pater Nikiphor dahin, an seiner Seite in nervöser Gangart hastete Stepan Nikolaitsch. Sie sprachen kein Wort.

Vor der Brücke blieb Pater Nikiphor stehen und erhob seinen Arm. Er deutete auf das Schloß. „Da hausen unsere Widersacher“ – sprach er mit grollendem Ton, „diese sogenannten deutschen Kulturträger mit ihrem Lutheranerglauben.

Warme Nesterchen haben sie sich hier zu bauen verstanden,

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/114&oldid=- (Version vom 31.7.2018)