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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Ausländer nun aber doch selbst in unser Reich geführt,“ sagte er.

„Schön. Und wir, die neue Zeit, das zwanzigste Jahrhundert werfen sie wieder hinaus! Brauchen wir etwa Ausländer, um zu leben und zu herrschen, wie? Kann sein, daß wir sie einstmals brauchten. Aber jetzt? Lächerlich! Bauen wir nicht selber Fabriken? Spinnen und weben wir nicht? Einen Wodka, wie wir ihn brauen, den kann man in ganz Germanien suchen!“

„Der Wodka, der unser Volk zu Tode peitscht – –“ murmelte der Volksschullehrer bitter, – „besser, er wäre nie erfunden worden.“

Vater Nikiphor überhörte den Einwurf. „Die Deutschen mit ihrer ganzen Kultur“ – fuhr er grimmig fort, „die haben ihre Rolle ausgespielt, sag’ ich Ihnen, Stepan Nikolaitsch – ausgespielt! Wir können ohne sie fertig werden. Und weißt du, Brüderchen, wer uns helfen wird unser russisches Zarenland reinfegen? Diese Letten und Littauer und Esten mit ihren harten Schädeln ... ja und auch die Juden. Lange genug haben sie das Joch der Barone getragen. Nun mögen sie sehen, wie sie mit einander fertig werden! Wir schauen zu und waschen unsere Hände in Unschuld – – mögen sie sich gegenseitig aufreiben! Die Parole geben wir aus und lachen uns ins Fäustchen .... ja – das nennt man Politik!“

Er lachte aus vollem Halse.

Nachdenklich hatte der Volksschullehrer den Kopf gesenkt. „Ich meine, der Wohlstand der hiesigen Bauern ist ein größerer,

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)