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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

den Mund zu einer heftigen Antwort. Aber die lähmende Gegenwart des gewaltsamen Mannes begann wieder ihre geheimnisvolle Wirkung zu üben und er schwieg.

Am anderen Morgen war klares lichtes Sonntagswetter. In seinem neuen Anzuge, frisch gebürstet und rasiert begab sich Stepan Nikolaitsch sofort nach dem russischen Gottesdienst mit den beiden Regenschirmen zu den jungen hilfsbereiten Damen.

Er schellte an der Tür des Veterinärarztes. Sein Herz klopfte in starken unruhigen Schlägen. Er hatte sich eine wohlklingende Phrase zurechtgelegt.

Fräulein Wally Grundmann öffnete ihm selbst, vor ihrer dunklen, ein wenig herausgeputzten Schönheit blieb ihm das Wort im Halse stecken. Er machte eine ungeschickte Verbeugung.

„Ich dachte schon, daß Sie kommen würden“, sagte das junge Mädchen fröhlich, – „deshalb bin ich nicht mit meiner Kusine und den anderen Verwandten zur Kirche gegangen.“

Sie lachte, wie über einen recht gelungenen Streich und ihre weißen Zähne blitzten. „Bitte, treten Sie nur näher.“

Sie führte ihn in einen kleinen spießbürgerlich eingerichteten Salon. Auf den verschlissenen roten Möbeln waren gehäkelte Schutzdeckchen sorgfältig angesteckt.

„Es war außerordentlich liebenswürdig von Ihnen, uns die Schirme ... wie darf ich Sie anreden, Fräulein?“ stotterte Stepan Nikolaitsch und nahm verlegen Platz.

„Ich heiße Wally Oswaldowna, – da das aber für russische

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)