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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Bis sieben Uhr nich,“ knurrte Krisch. „Ich graul mich so.“

„Armer Kerl“ sprach Stepan Nikolaitsch mitleidig, „wart, ich will dir eine warme Tasse Tee kochen, und nachher streckst du dich auf mein Bett aus und schläfst.“

Der Junge zögerte. „Ich muß noch zum Vater Nikiphor – anmelden. Vater hat mich geschickt.“

„Das werd ich schon ausrichten, bleib nur ruhig bei mir!“

Geschäftig ging Stepan Nikolaitsch in die Nebenkammer, die ihm als Küche diente, machte Feuer an und kam bald mit einer dampfenden Teemaschine wieder. Dann goß er den Tee auf, stellte Butter Brot und Zucker nebst zwei Tassen auf den Tisch, hieß den Knaben Platz nehmen und schenkte ein.

„So, nun greif zu und trink, Junge!“ sagte er.

Mechanisch schlürfte Krisch seinen Tee und sah den Lehrer mit runden verwunderten Augen an. Wenn er das seinen Kameraden erzählte – die würden neidisch sein! dachte er. Und selbst hat er für mich den Tee gekocht – – ob sie das glauben werden?

Im Gefühl seiner Wichtigkeit trank er noch eine zweite Tasse.

Stepan Nikolaitsch suchte nach dem rechten Wort. Und ungesucht stellte es sich ein, weil er selbst durchwärmt worden war.

„So, das ist recht,“ sagte er, – „jetzt legst du dich hin. Ich bleib bei dir, bis du einschläfst.“

Er glättete ihm die Kissen und zwang den Knaben auf

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/136&oldid=- (Version vom 1.8.2018)