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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Weinen, „glauben Sie es – Sie großes, bescheidenes Kind, Sie großer, lieber, einfältiger Junge! Glaub’ es doch, Du guter, einziger Freund!“

„Ihr Freund! Ja – Dein Freund, Wally!“ Seme Stimme schwankte vor tiefer bebender Zärtlichkeit. „So wahr ich Sie über alles in der Welt liebe, – so wäre ich ein Schurke, wenn ich nur diese Stunde und Ihre Güte zu Nutze machte! Nein, Wally Iwanowna, wenn Sie mir das nach einem Jahr wiedersagen können, dann, ja dann werde ich daran glauben dürfen. Jetzt ... bin ich Ihr Freund, und das ist Glücks genug!“

Er beugte sich über sie und küßte sie andächtig auf Stirn und Augen.

Mein Gott, dachte Fräulein Wally und ihr Herz pochte heftig – nun bin ich also verlobt! Wie er mich liebt! sieht aus wie ein Verklärter ...

Wie ein Verklärter sah Stepan Nikolaitsch tatsächlich aus. Es wurde eine kurze inhaltreiche Konversationsstunde, nur war die Konversation diesmal in russischer, nicht in deutscher Sprache geführt worden. Fräulein Wally wurde hinausgebeten, da Frau Doktor Treller ihr noch einige Details über das Haus des Barons mitzuteilen hatte.

„Auf nächsten Sonntag also!“ rief sie Stepan Nikolaitsch mit strahlendem Lächeln zu.

„Auf nächsten Sonntag!“ wiederholte der kleine Mann wie im Traum und wie im Traum schritt er direkt aus der Arbeitsstube

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/157&oldid=- (Version vom 1.8.2018)