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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Bränden und Kirchenschändungen. Scharenweise flüchteten die Gutsbesitzer mit ihren Familien in die Städte.

Im Flecken wurde eine feindselige Haltung gegen die wenigen Russen fühlbar. Man wich ihnen aus. Der Veterinärarzt war eilig in eine Seitengasse gebogen als er Stepan Nikolaitsch von weitem erblickte.

Vater Nikophor trug den Kopf hoch. Er hatte nicht viel Zeit. Man munkelte, er halte sozialistische Reden in geheimen Versammlungen. Triumphierend, mit gewaltigen Schritten sah man ihn durch die Straßen streifen oder auf der Post die frisch erhaltenen Zeitungen durchblättern.

Im Hausflur stieß er eines Tages auf Stepan Nikolaitsch, der sich hastig an ihm vorbeidrücken wollte, und hielt ihn am Ärmel fest.

„Nun, Sie Deutschenfreund!“ sagte er spottend – „Was verkriechen Sie sich denn wie ein Maulwurf? Hat die schöne Wally Sie endgültig im Stich gelassen? Die deutschen Barone gefallen ihr freilich besser. Sie fährt ja jetzt täglich in ihrer Baronskarosse mit Begleitung nach Hause!“

„Lassen Sie mich!“ stieß der Volksschullehrer rauh hervor. Er zitterte am ganzen Leibe.

„Fällt mir auch nicht im Traume ein, – Sie Duckmäuser“, sagte der Pope gemächlich, – „im Gegenteil, ich gehe jetzt mit Ihnen auf Ihr Zimmer und trinke eine Tasse Tee, habe schon längst die Absicht, Sie zu besuchen und mich mit Ihnen auszusprechen.“

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/160&oldid=- (Version vom 31.7.2018)