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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Der Friede ist wieder über ihn gekommen.

Eine tiefe Dankbarkeit, eine wehmütige Freude strahlt und leuchtet aus seinem Antlitz.

Der Zug geht an dem Hause des Veterinärarztes vorüber.

„Wally, Wally – so sehen Sie doch – auch er ein Anarchist!“ kreischt die entsetzte Stimme Frau Doktor Trellers, „Hab ich Sie nicht alle vor ihm gewarnt?“ klingt es darauf triumphierend.

Bleiche bekannte Gesichter beugen sich aus dem Fenster. Mit einem Wehlaut fährt Wally zurück.

Ein ruhiger friedlich-schmerzlicher Blick hat sie gestreift. Sie begreift noch immer nicht ...

„Weshalb ist er gefangen?“ ruft der Veterinärarzt keuchend.

„Er hat den Baron erschossen!“ schreit einer der Soldaten zum Fenster empor – – –.

Stepan Nikolaitsch ist im Gefängnis. Und morgen soll er sterben. Er schreibt einen Brief an seine Mutter. Seine Augen leuchten.


„Trauere nicht, gute Mutter, – ich bin sündig, aber dein verlorener Sohn bin ich nicht. Ich stand unter fremdem Willen und der Friede Gottes ist über mir. Es küßt euch alle
Euer Stepan.“


Am nächsten Morgen in aller Frühe bewegt sich eine Kompagnie Soldaten, mitten unter ihnen eine Reihe Gefangener, auf dem Marktplatz. Stepan Nikolaitsch erkennt den Vater

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/184&oldid=- (Version vom 1.8.2018)