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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

schmeichelnd die schwanken Zweige. Weit in der Ferne blaute ein dunkler Tannenwald, und ein lichtblauer nordischer Frühlingshimmel, von leichten schwimmenden Wölkchen bedeckt, spannte sich über das grünende Gelände.

Klein-Darthe streckte die Füße ins Wasser und sah vergnügt zu, wie es über sie hinströmte. Immer tiefer rutschte sie hinab – jetzt steckten schon die Beine weit über die Knie in der kalten strömenden Flut. Ein wonniges Behagen durchrieselte sie. Ja, der Fluß war doch gut, und holen konnte er sie gar nicht – dachte sie. Also hatte die Großmutter die Unwahrheit gesprochen. Gut, daß die sie hier nicht sitzen sah, die Beine im Wasser, dann gäbe es wieder Schelte und vielleicht gar Schläge! Noch einige Minuten genoß sie das verbotene Vergnügen, dann kroch ein Kältegefühl durch ihren Körper, und schnell zog sie die Fuße zurück.

Sie knetete den Uferschlamm zu Kugeln zusammen und warf sie jauchzend in den Strom hinein. Wie das klatschte und aufschlug und dann wirbelnd versank! Nun sprang sie auf und begann eifrig nach Holzspänen zu suchen. So, nun hatte sie die ganze Schürze voll. Hui, wie die dahingetragen wurden vom flutenden Strom, schnell, so schnell, ... wohin eigentlich? Fest­ halten hätte sie sie mögen oder mit ihnen schwimmen in die Weite – ja, wohin schwammen sie denn nur? fragte sie sich nachdenklich. Richtig, der Fluß ging ja nach Bauske, und Bauske war eine Stadt, und Klein-Darthe hatte noch nie eine Stadt gesehen. Aber da war es gewiß herrlich, – da gab es einen

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/194&oldid=- (Version vom 31.7.2018)