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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Mutter Gretsche seufzte wehmütig und faltete die Hände über dem Leib. „Ach ja, böse Zeiten, böse Zeiten!“ stöhnte sie und wiegte trübseelig den Kopf hin und her.

„Böse Zeiten, sagt Ihr? Nein, Mutter Greetsche – das stimmt nicht. Gute Zeiten sind’s für uns Letten. Nun kommen wir mal ans Regiment. Für die da" – er wies über die Schulter nach dem Schloß – „könnten die Zeiten schon ein bischen heiß werden. Dafür wollen wir sorgen. Für uns aber sind’s gute Zeiten.“

„Ja ja, kann schon sein,“ sagte sie schwerfällig, „aber in guten Zeiten sollte man auch eine Frau haben, mit der man sich darüber ausreden kann, wenn einem die Seele voll Freude ist.“

Jetzt riß sich Darthe mit flammenden Wangen von ihrer Mutter los.

„Habt Ihr eine Frau an mich zu vergeben, Mutter Greetsche?“ witzelte er mit einem pfiffigen Seitenblick auf das davonstürmende Mädchen.

„Nu, es käm’ drauf an!“ meinte Mutter Greetsche philosophisch. „Man wird immer älter, Dumpje-Wirt, und möcht' seine Kinder schon gut versorgen.“

„Man kann sich die Sache ja mal überlegen?“ sagte der büffelstarke Mann behäbig und reichte Mutter Greetsche die Hand.

In gehobener Stimmung trat sie zurück und setzte sich breit­spurig auf eine Bank. Sie hatte ihre Angelegenheit doch wahrhaftig fein eingefädelt. Ja, wenn die Kinder groß würden, dann fingen die Sorgen erst eigentlich an, dachte sie seufzend. Sind sie

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)