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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Alter Jahnit, ... alter Jahnit ... ruhig, ruhig, mein Alterchen,“ hörte man Mutter Greetsches beschwichtigende schluchzende Stimme, „das arme alte Mannchen ist ja ganz auseinander ..., nein, nein, getrunken hat er nicht ...“ erklärte sie den Leuten. „Komm nur, komm, – nach Hause wollen wir gehen!“

Willenlos, hilflos wie ein Kind ließ sich Vater Semmit von Mutter Greetsche abführen. Er atmete schwer. Sein struppiger grauer Kopf wackelte haltlos hin und her. Es schien, als habe er nie das Wort „nein“ aussprechen gelernt.

Darthe zuckte zusammen – sollte sie den Eltern folgen? Nein! Sie blieb. Ein feuriger trotziger Blick Grendsche-Jehkabs bannte sie.

Er schob ihren Arm in den seinen.

„Hiermit erkläre ich allen Anwesenden,“ rief er laut und trotzig, „Darthe Semmit hier ist meine Braut!“

Totenstille. Dann ein lautes, johlendes Bravogeschrei. Trunkene heisere Rufe.

„Der ist schneidig! Der versteht’s! Ein Mordskerl!“

Darthe stand da wie blutübergossen. Sie wagte nicht zu widersprechen. Liebte sie ihn? Haßte sie ihn? Sie wußte es nicht.

Da stand der Dumpje-Wirt vor ihnen.

Die Arme übereinander gekreuzt betrachtete er mit höhnischem Lachen das junge Paar.

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/239&oldid=- (Version vom 31.7.2018)