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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Sie hatte es schon damals gespürt. Richtig vernarrt waren sie beide, ja alle drei.

Wie hatte der Grendsche-Jehkab sich zu Boden geworfen, um ihr die Stiefelchen aufzuknöpfen! Wie eifersüchtig hatte der Jungherr Wolf ihn fortgejagt! Und dann die weißen Wasser­rosen, die Grendsche-Jehkab mühselig für sie gepflückt hatte – heute würde er ja wohl keine Blumen mehr für sie pflücken.

Nein, er war ja ihr Feind, wie sie selbst ihre Feindin war. Sie war ja Lettin und allen Deutschen feindlich gesinnt, am meisten den Baronen und Landesbedrückern.

Aber Baroneß Marga bedrückte ihre Leute nicht. Das mußte wahr sein. Still und friedlich lebte sie bei ihrer alten harthörigen Tante, und manchmal war sie in die Bauernhütten gekommen, wenn es galt, eine Wunde zu verbinden oder ein krankes Kind zu pflegen. Nein, Baroneß Marga war keine Leuteschinderin. Aber sie war eine Deutsche und eine Baroneß, und darum mußte Darthe sie hassen.

Und sie haßte sie – redlich und aufrichtig. Nur sonderbar daß sie sie zugleich beinahe liebte. Wie gütig hatte die Baroneß mit ihr gesprochen, wie traurig hatte sie ausgesehen, als sie die goldene Nadel zerbrach und fortwarf! Und das hatte Darthe eigentlich furchtbar gefallen. Sie selbst hätte es genau so gemacht an Stelle der Baroneß. Denn auf Gut und Geld gingen sie ja beide nicht aus. War der Grendsche-Jehkab etwa reich? Und brauchte die Baroneß nicht bloß ihren kleinen Finger auszustrecken

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/248&oldid=- (Version vom 31.7.2018)