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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Sie klopfte an die nächste Tür und trat, ohne die Antwort abzuwarten, ein.

Darthe sah sich neugierig um. Alles gutes Futter fürs Feuer, mußte sie wieder denken.

Jetzt ging die Tür auf, und lächelnd, strahlend wie eine junge Rose, stand die Baroneß da. Ihre Wangen aber und ihre Augen waren feucht von Tränen.

„Darthe Semmit,“ sagte sie, „ich freue mich herzlich, dich zu sehen!“ Sie legte ihr die schlanken Hände auf die Schultern.

In Darthes Augen leuchtete ein warmes Licht, – doch sie besann sich, – sie haßte ja die Baroneß. Schroff trat sie einen Schritt zurück.

„Ist niemand hier, der uns hören kann?“ fragte sie in ge­dämpftem Tone.

Befremdet blickte Baroneß Marga sie an.

„Nein,“ sagte sie ruhig, „die alte Ohsoling ist durch eine andere Tür wieder hinausgegangen, und hier unten bin ich allein. Hast du mir ein Geheimnis zu sagen?“

„Ja!“ sagte Darthe fest und schwer. Die Baroneß schloß beide Türen vorsichtig, setzte sich quer­ über einen Rohrstuhl, kreuzte die Arme nachlässig über der Lehne und sah Darthe erwartungsvoll an.

„Nun, so sprich, Mädchen!“ sagte sie.

Wie wurde doch Darthe das Sprechen so schwer, sie hatte

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/252&oldid=- (Version vom 1.8.2018)