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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Vor der Tür auf der Bank saßen zwei, die semmelblonde Zehsewirtstochter und – Grendsche-Jehkab.

Verwirrt sprang er auf. Sie maß ihn mit flammenden Blicken.

„Guten Abend, Zehsetochter,“ sprach sie ruhig. „Ich bring Euch Euren Kleidrock.“

Die Semmelblonde sah sie spöttisch an.

„Es ist gut,“ sagte sie, „legt nur ab in der Stube.“

„Wollt Ihr nicht anprobieren?“ fragte Darthe wieder. „Ich hab’ keine Zeit, später wieder daran herumzuändern.“

Gelangweilt erhob sich das Mädchen von der Bank. „Habt Ihr denn so ungeheuer viel zu tun, Darthe Semmit?“ fragte sie spitz.

Sie traten in[WS 1] die geräumige warme Stube. In buntem Durcheinander standen modische Möbel und Bauerngerät. In der Ecke ein altes schlechtes Tafelklavier. „Ich hab’ meine Arbeit und bin zufrieden,“ erwiderte Darthe. „Unnütze Arbeit mag wohl niemand gern.“

Sie löste das Bündel und nahm den Rock heraus. Die Zehsewirtstochter stand steif und gespreizt da und ließ sich von Darthe den Rock überwerfen und zuhaken. Sie rührte keinen Finger. Nicht umsonst war sie ein Jahr in Mitau in der Stadttöchterschule gewesen und hatte Klavierspielen gelernt.

Darthe kniete am Boden und zupfte die Rockfalten zurecht. „Seid Ihr zufrieden, Zehsetochter?“ fragte sie.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ist
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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/261&oldid=- (Version vom 1.8.2018)