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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

und Brautpaare. Nachdem er die Namen der Täuflinge genannt hatte, fuhr er fort:

„Baron Wolf von Wolfshausen – gefallen durch Mord. Gott allein sieht ins Verborgene und wird richten und strafen zu seiner Zeit. Gott sei der Seele des Sünders gnädig!“

Dann folgte ein Gebet.

Ein leises Schluchzen zitterte durch den Raum, ein Scharren und Murmeln. Baroneß Marga mar ohnmächtig zusammen gebrochen. Sie wurde in die Sakristei getragen. Mauschen und die Pastorin folgten weinend.

Eintönig las der alte Mann weiter: „Aufgeboten zum ersten Male: Der Grendsche-Häuslerssohn Jehkab Abol und die Wirtstochter Linda Zehse.“

Darthe fuhr auf, als habe sie einen Peitschenhieb erhalten. Atemlos beugte sie den Kopf vor, ihre Augen traten aus den Höhlen, sie sprang auf und sank im nächsten Moment kraftlos auf die Bank zurück.

Dann aber raffte sie sich wieder zusammen und stürzte mit wankenden Knien hinaus.

Noch einige Minuten und die Kirche begann sich langsam zu leeren. Düster, mit gerunzelten Brauen und gesenktem Nacken strömten die Männer hinaus; die Frauen hatten verweinte Augen und rote Flecken auf den Wangen.

Frei und ehrlich blickten die hellen Augen Vater Semmits um sich. In seinem Hause ging der böse Geist nicht um. Er

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/271&oldid=- (Version vom 1.8.2018)